Das Koenig-Reich trifft auf die Antike

von Redaktion

Die Glyptothek zeigt „Mythos & Moderne“

Im Dialog mit der Antike: die Werke des bayerischen Bildhauers Fritz Koenig (1924-2017). © Marcus Schlaf

Sinnbild für New York nach dem 11. September: eine kleine Version der „Kugelkaryatide N.Y.“ © Marcus Schlaf

Im Saal des Barberinischen Fauns widmet sich die Schau Koenigs Auseinandersetzung mit Ikarus. © Marcus Schlaf

Und schon ist Witz in der Glyptothek: Die Schau stellt Fritz Koenigs „Rossmensch“ dem Kuros gegenüber. © Marcus Schlaf

Er war halt ein „Rosserer“, der Fritz Koenig, ein Pferdenarrischer. Das beweist die Ausstellung „Mythos & Moderne – Fritz Koenig und die Antike“ bereits im ersten Saal, den man in der Münchner Glyptothek betritt. Dem überlebensgroßen Kuros, der anmutigen archaischen Jünglingsstatue, ist ein Pferdemann gegenübergestellt. Und schon ist Witz in der Bude. Der „Rossmensch“ (1992-2000) ist nämlich kein weiser oder lüsterner Kentaur auf vier Hufen wie in der Antike, sondern ein stramm aufrecht stehender Kerl, der es mit der geraden Haltung des jungen Griechen aufnimmt – und damit einen herrlich ironischen Kontrast bietet. Ein bissl mitgenommen sind sie beide. Der Stein, der so sehr lange in der Erde lag, hat deren rötliche Farbe angenommen und zeigt Narben von den Pflügen, die diese Erde beackert hatten. Die Bronze des seltsamen Gauls ist von Wind und Wetter gegerbt und ebenfalls irgendwie lebendig geworden.

Alexandra von Armin, bis vor Kurzem Leiterin des Landshuter Koenigmuseums, sei die Initiatorin der Schau, berichtet Florian Knauß, Chef der Glyptothek und Antikensammlungen. Ihr Ansporn sei der 100. Geburtstag des bayerischen Bildhauers, der im Sommer 1924 in Würzburg geboren wurde (2017 gestorben), in München studiert, später an der TU Bildnerisches Gestalten unterrichtet und bei Landshut eine Heimat samt Atelier, Gestüt sowie Museum gefunden hatte. Knauß weist außerdem daraufhin, dass Koenig bekannt sei für seine Sammlung afrikanischer Kunst, es dennoch seit Studententagen eine tiefe Auseinandersetzung mit der antiken Kunst gegeben habe. Und auf die konzentriere man sich „dezidiert“ in der Glyptothek: mit Bronzen, Ausrissen und Zeichnungen aus der Zeit zwischen dem Ende der Fünfzigerjahre und der Neunziger.

Koenig war ein erfolgreicher Künstler. In München ist er mit vielerlei Plastiken im öffentlichen Raum von der Alten Pinakothek (Biga/antiker Wagen mit zwei Pferden) bis zum Olympiapark (Mahnmal von 1995 für die 1972 von palästinensischen Terroristen ermordeten israelischen Sportler) vertreten. Dass er aber auch weltweit von Bedeutung war, daran erinnert Holger A. Klein von der New Yorker Columbia-Universität. Er kümmerte sich bereits um eine Koenig-Hommage im Big Apple, denn dort steht das Sinnbild für die Stadt, die von der 9/11-Katastrophe seit 2001 schwerst verwundet ist und trotzdem blüht. Die Rede ist von der „Kugelkaryatide N.Y.“ (1968), die bei den Twin Towers stand und, aus dem Schutt geborgen, unfreiwillig zum zweiten Mahnmal gegen islamistischen Terror wurde.

Eine kleine Version dieses Werks ist in der Glyptothek zu sehen. Karyatiden sind jene Architekturelemente in Gestalt von Frauen, die zum Beispiel ein Gebälk tragen. Fritz Koenig hat sich von dem Bau-Zusammenhang gelöst und künstlerisch erforscht, was es mit dem Tragen und Getragen-Werden auf sich hat. Er kam auf Nacken, Hals und Kopf, abstrahiert als Kugel auf rührend zarter Basis. Kann das halten? Selbst die vollkommene Form „Kugel“ lässt er nicht unversehrt, sondern „bricht“ sie – sie überdauert dennoch. Eine Gouache beweist die unendlich vielen, vielen Überlegungen zu dieser Arbeit. Neben den Pferdeskulpturen und -zeichnungen von der lustigen Pferdefrau mit Knickbeinen über den Reiter eines sich aufbäumenden Rosses („Poseidon“) bis zu wunderbaren Quadrigas widmet sich die Ausstellung im Saal des Barberinischen Fauns dem IkarusMythos, der Figur, die hoch fliegt und tief stürzt. Es gibt eine große Arbeit, zierliche, noch nie gesehene Papierausrisse und -schnitte in den Nischen zusammen mit kleineren Bronzen, die das Gefallen-Sein auf Scheiben, Stufungen und hingeworfene Rundstäbe reduzieren (Ende der Achtzigerjahre). Obwohl all das Abstraktion ist, spürt man das zeitlos Schmerzliche in den Werken.
SIMONE DATTENBERGER

Bis 30. März

Di.-So. 10-17 Uhr, Do. bis 20 Uhr; weitere Infos unter www.antike-am-koenigsplatz.mwn.de.

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