Dirigierender Gast: Nicolas Altstaedt. © Florian Ganslmeier
Wie viel Dramatik im jungen Schubert steckte, das legten das Münchener Kammerorchester (MKO) und sein dirigierender Gast Nicolas Altstaedt am Donnerstag im zweiten Abo-Konzert im Prinzregententheater offen. Da bäumten sich in der Sinfonie Nr. 4 c-Moll nicht nur die Ecksätze, sondern da wurde selbst im ansonsten lyrisch und gesanglich fließenden Andante ein kurzes Aufschäumen herausgekitzelt. Aufstampfend tönte das Scherzo mit vom Holz intoniertem Trio, das die Streicher geschmeidig grundierten. Altstaedt setzte die sogenannte Tragische plastisch, temperamentvoll und mit ausholender Gestik in Szene und hatte das Orchester ganz auf seiner Seite.
Als Solist – schließlich gehört der Cellist Altstaedt zu den führenden seiner Generation – fand er in Schostakowitschs Cellokonzert Nr. 1 Es-Dur reichlich Herausforderung. Quasi im Dauereinsatz stürzte er sich in die virtuosen Läufe und Doppelgriffe und „dirigierte“ die Orchesterkollegen meist mit kurzen Kopfbewegungen. Dabei durchlief das tragende Motiv allerlei Wandlungen. Ein inniges Miteinander gönnt Schostakowitsch dem Cello und dem Horn, das die beiden Musiker besonders im kantablen, ein wenig melancholischen, langsamen Satz klangschön auskosteten.
Bevor das finale Allegro wieder zum aufgebrachten, zuweilen gar aggressiven Tutti führte, durfte der Solist in der Cadenza glänzen: Da bearbeitete er das zentrale Motiv in Läufen, Griffen, Sprüngen – ausdrucksstark, aber auch raunend und flüsternd. Altstaedt fehlte es an nichts.
Ähnlich herausfordernd sind Henri Dutilleux’ „Trois Strophes sur le nom de Sacher“. Diese kurze Hommage an den Schweizer Dirigenten und Mäzen Paul Sacher mit ihren geradezu zirzensischen Qualitäten ließ Altstaedt noch eins draufsetzen, was Virtuosität und bravouröse Beherrschung seines Instruments angeht. Die Begeisterung schlug hohe Wellen.
Bei all dem geriet Harrison Birtwistles das Konzert eröffnende „Cortege“, eine Zeremonie für 14 Musiker, mit spannenden Solisten-Gedanken zu seinem toten Freund Michael Vyner nahezu in Vergessenheit.
GABRIELE LUSTER