Gefährlich schön: ein Polarbär. © Sebastian Copeland
Schmelzende Landschaften: Auch den Klimawandel dokumentiert Copeland mit seiner Kamera. © Sebastian Copeland
Er jagt mit der Kamera – und fängt faszinierende Momente, Landschaften und Tiere ein: Fotograf, Polarforscher und Abenteurer Sebastian Copeland. © Sebastian Copeland/Immagis Galerie
Mit 40 Jahren hörte sein Großvater auf zu jagen. Tauschte das Gewehr gegen eine Kamera – und legte sich künftig einzig in friedfertiger Absicht auf die Lauer. Sebastian Copeland hat ihn schon als Kind auf Safaris begleiten dürfen. In den Siebzigern, als das noch kein Trend für großkopferte Trophäenjäger war. Damals wurde sein Herz entflammt für die Natur, die Wildnis, das Abenteuer. 50 Jahre später schürt er es in schwindelerregenden Exkursionen immer weiter. Wer ihn trifft, der spürt: In ihm lodert es auch mit 60 noch wie im elfjährigen Sebastian einst in Swasiland.
Sebastian Copeland, Fotograf, Polarforscher, Autor, Extremsportler, gerade in Athen gekürt als „Book Photographer of the Year“. Vor Kurzem ist er wieder ausgezogen, die weiße Welt zu besuchen. Doch die ist kein glitzerndes Winterwunderland. Den britisch-amerikanisch-französischen Weltbürger zieht es an unwegsame, kalte, abweisende Orte. Solche, an denen man von Polarbären zum Frühstück verspeist werden oder in eisigem Wasser erfrieren kann. Mehrere tausend Kilometer legt er auf Skiern zurück, durch die arktische See, Grönland und die Antarktis. Zu Nord- und Südpol. Sein neuer Bildband „The Arctic. The Dark Shade of White“ erzählt in spektakulären Aufnahmen von dem, was er bei widrigsten Bedingungen erlebt hat.
„Seitdem ich 13 war, wusste ich, dass ich Polarforscher werden wollte“, sagt er. Ein Treffen in einem Café in München, vor einigen Jahren ist er mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern aus den USA hergezogen. Auch wegen der politischen Situation – „als Trump auf der Bildfläche erschien, war mir klar: Es ist Zeit für mich zu gehen.“ Der einstige und künftige US-amerikanische Präsident widerspricht wohl in jeglicher Hinsicht der weltoffenen Art des Fotografen. Der früher ein schüchternes Kerlchen war, sich deshalb in die Welt der Bücher flüchtete. Besonders die Protagonisten in Jack Londons Werken wurden zu seinen Helden. Heute könnte Sebastian Copeland selbst einem Abenteuerroman des großen US-amerikanischen Schriftstellers entsprungen sein.
Wer mit ihm seinen inzwischen sechsten Bildband durchblättert und dabei seinen abenteuerlichen Geschichten lauscht, fragt sich und lauthals ihn unwillkürlich: Warum zur Hölle tut er sich das an? Lautes Lachen. Er weiß ja selbst, dass es im Grunde Irrsinn ist: mutterseelenallein mit schwerem Gepäck durch eine Gegend zu ziehen, in der aus gutem Grund kaum bis keine Menschen siedeln. Aber es hilft nichts: „Mich treibt seit Kindesbeinen meine riesengroße Neugierde.“ Und weil er noch dazu schon immer ein Mensch gewesen sei, der alles, was ihn umgibt, analysiere, seien seine wochenlangen Trips ins ewige Eis auch eine Möglichkeit, für eine Zeit lang „auszuchecken“. Sich dem Informations-Overload zu entziehen. Wie der kleine Sebastian sich in seine Bücher zurückzog, findet der große fern jeder Zivilisation zu sich.
Umso härter muss es sein, wieder zurückzukommen. Wird man da nicht jedes Mal zum Misanthropen? Genervt von all den Nichtigkeiten, mit denen wir unsere Zeit vergeuden? „Ich werde bei meiner Rückkehr tatsächlich auf den großen inneren Kampf zurückgeworden, der uns Menschen wohl ausmacht: Einerseits ist da unsere Fähigkeit, Mitgefühl zu empfinden, zu sehen, was richtig und was falsch ist – doch kommt uns immer wieder unser narzisstischer Wunsch, eigene Bedürfe zu befriedigen, dazwischen, das Richtige zu tun.“ Soll heißen: Natürlich kennt auch er das, frisch zurück von einer seiner Reisen, ganz bei sich und gewillt, eine bessere Version seiner selbst zu sein. Alles für den Planeten zu tun, dafür, dass er auch künftig ein Ort bleibt, an dem Menschen leben können. „Doch dann überkommt auch mich irgendwann wieder die Gier. Nach dem Motto: Oh, das neue Iphone, schön.“
So seien wir in unserer konsumorientierten Welt konditioniert. Dagegen anzukämpfen – ein ewiges Ringen. Der Anblick der massiven Eisberge, die schon so viel länger da sind als wir, erdet Sebastian Copeland. Und führt ihm vor Augen, was wichtig ist. „Wir haben die Techniken und das Wissen darüber, was zu tun ist, damit unser Planet weiter bewohnbar für uns ist. Was fehlt, ist unser Wille, unsere Gewohnheiten zu verändern.“ Doch: „Die Natur hat eine Stimme. Manchmal müssen wir mit den Augen hören.“ Er liefert uns die passenden Bilder.
KATJA KRAFT
Sebastian Copeland:
„The Arctic: A darker Shade of White“. Rizzoli, New York,
208 Seiten; 85 Euro.
Lesung: Sebastian Copeland stellt sein Buch am 30. November,
18 Uhr, im Bergson,
Am Bergson Kunstkraftwerk 2,
in München Aubing vor.
Tickets unter www.bergson.com.