Das gleiche Baujahr haben der Buick GNX und Rapper Kendrick Lamar. © Universal Music
Der GNX ist eigentlich ein aufgemotzter Mittelklassewagen. 1987 entwickelte die US-Autofirma Buick die Limousine „Regal“ zu einem „Grand-National-Experimental-Coupé“ weiter. Schwarz lackiert, 276 PS unter der Haube, stark limitierte Stückzahl. Wenn nun der wichtigste Hip-Hopper unserer Zeit, Kendrick Lamar, sein ohne Ankündigung veröffentlichtes sechstes Album „GNX“ nennt, dann hat das natürlich was zu bedeuten. Die Message des ebenfalls 1987 geborenen Superstars: Ich weiß, wo ich herkomme, aber in mir steckt halt doch noch etwas mehr als in all den anderen.
Im Grunde ist die Platte auch ein Schlussstrich. Denn das gesamte vergangene Jahr hat der Mann von der Westküste damit zugebracht, sich mit seinem kanadischen Kollegen Drake zu „batteln“, wie man so schön sagt. Sprich: einen musikalischen Kleinkrieg auszufechten. Im Eröffnungsstück „Wacced out Murals“ tritt er dann auch noch mal kräftig nach. Aber nun, da der Konflikt zu seinen Gunsten erledigt ist, zeigt „GNX“ Lamar von seiner versöhnlichen Seite. „Heart pt. 6“ ist feinster Soul-Pop, und der Rapper gibt zu, dass er schon auch seine Schwächen hat. Verantwortlich für den süffigen Sound ist auf fast allen Songs Jack Antonoff, was nach dem sperrigeren vorigen Album „Mr. Morale & The Big Steppers“ viele Fans überraschen dürfte. Denn Antonoff ist eher als Maßschneider für Lorde-, Lana-del-Rey- und Taylor-Swift-Hits bekannt. Doch der Rapper und der Produzent harmonieren prima in diesen 45 Minuten. Streicher umschmeicheln die Songs (Bandleader: Jazz-Star Kamasi Washington), Synthesizer wabern, alles hat einen relaxten Sommer-Vibe. Dazu tragen auch die zwei Duette „Gloria“ und „Luther“ mit der angesagten Soul-Diva SZA bei.
Kendrick Lamar wird in der Halbzeit-Show des kommenden Superbowls auftreten – mit diesem Album hat er dafür gesorgt, dass er bis dahin die Radiosender dominiert. Denn hier schnurrt alles wie in den Achtzigern, wie bei einer Fahrt im Nobelhobel GNX.
JOHANNES LÖHR