Die unbekannte Meisterin

von Redaktion

Die Alte Pinakothek rückt die Malerin Rachel Ruysch wieder ins Licht

Ein Stillleben mit Rosenzweig, Käfer und Biene, das Rachel Ruysch im Jahr 1741 malte. © Martin P. Bühler

Mega real und zugleich völlig künstlich: die Bilder von Rachel Ruysch. © Haydar Koyupinar

12 000 Blumen haben die niederländischen Gärtner ihrer Landsfrau Rachel Ruysch („Reus“ gesprochen) gestreut. Wer ins Duftbad in der Alten Pinakothek eintauchen möchte, sollte sich beeilen, die Blüten welken schnell. Dauerhaften Genuss bieten hingegen die Stillleben des Superstars in der Barockzeit. Die Frau war rasend erfolgreich, war Hofmalerin und wurde sogar von ihren Kollegen anerkannt und von Dichtern besungen. Trotzdem gab es noch nie eine umfassende Präsentation ihrer Werke, die doch in fast jedem Schloss und Museum der Welt, das etwas auf sich hält, hängen.

In der Ausstellung fühlt man sich wie in einem Zaubergarten

Die männlich dominierte Kunstgeschichtsschreibung hat sie quasi eliminiert. Das wollen nun das Toledo Museum of Art und das Museum of Fine Arts in Boston zusammen mit den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen durch „Rachel Ruysch – Natur into Art“ nicht nur rauschhaft sinnlich, sondern auch wissenschaftlich gründlich ändern bis hin zu echten (!) Schmetterlingsflügeln, die in die Farbe gepresst wurden. Zu sehen gibt es 81 Gemälde, davon 57 von Ruysch, 41 Arbeiten auf Papier, 577 Präparate von Blumen bis zur Südamerikanischen Wabenkröte.

Bernd Ebert, in der Alten Pinakothek zuständig für Holländische und Deutsche Barockmalerei, erzählt der Presse von Robert Schindler vom Toledo-Museum. Der war schon vor Jahren durch ein Stillleben mit dem Ruysch-Virus infiziert worden und hatte die Idee zur Kooperation. Wer durch die Ausstellung wandelt (weil man sich wie in einem Zaubergarten fühlt), wird ihn, Ebert und die vielen finanziell helfenden Institutionen innig verstehen. Das Schaffen ist faszinierend wie die Schöpferin auch.

Rachel Ruysch wurde 1664 in Den Haag in eine Familie geboren, der eine weit gespannte Bildung wichtig war. Vater Frederik, Professor für Botanik und Anatomie, Chirurg, zuständig in der Gemeinde für Geburtshilfe und Chef des Amsterdamer Botanischen Gartens, hielt seine Mädchen Rachel und Anna nicht dumm. Er brachte ihnen die Naturwissenschaften nahe, erkannte ihr malerisches Talent. Bei Willem van Aelst erhielten sie eine profunde Ausbildung. Es ist aufregend zu verfolgen, wie Rachel, die mit 15 zu ihm kam, seine Stillleben-Technik und -Komposition erst trainiert und ihn dann übertrumpft: mit Kühnheit, Pathos, Raffinement und Wissen um Pflanzen und Tiere.

Schwester Anna konnte mithalten, schlug jedoch nicht den Weg zur Malerinnenlaufbahn ein. Ruysch war schnell gefragt, man riss sich um ihre Gemälde. Wie ihre Vorbilder behielt sie meist einen dunklen Hintergrund bei, reduzierte bald „störende“ Elemente wie Architekturelemente oder Vasen fast ganz. Öfters sind Marmorplatten zu erkennen. Nichts darf die Konzentration auf die Blumen, Blätter, Früchte, Insekten, Schnecken und kämpferischen Eidechsen stören. Das Arrangement ist raffiniert ausgeleuchtet. Und es bewegt sich auf die Betrachtenden zu; einzelne Blüten werden von ihrem Stängel geradezu aus dem Bild geschleudert.

Die Wittelsbacher brachten die Bilder mit nach Bayern

Alles ist mega real und zugleich völlig künstlich. Kein Wunder, dass Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz von Ruysch begeistert war und sie zu seiner Hofmalerin machte; was ihm jährlich ein Werk sicherte. Davon profitieren wir heute noch, denn die pfälzischen Wittelsbacher erbten Bayern und brachten ihre Kunstsammlungen mit in die neue Heimat. Rachel Ruysch war auf dem Zenit ihrer Kunst und Karriere. Nach einem Lottogewinn ließ sie es mit ihrer aufwendigen Feinmalerei ruhiger angehen; dennoch arbeitete sie bis kurz vor ihrem Tod 1750 an bezaubernden Blumenträumen.
SIMONE DATTENBERGER

Bis 16. März

Di./Mi. 10-20, Do.-So. 10-18 Uhr; Telefon: 089/23 80 52 16;
Begleitangebot für Jung und Alt: www.pinakothek.de/nature-into-art; Katalog (nur auf Englisch):
im Museum 39,90, im Handel
54 Euro.

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