Gefühl, das sich von der ersten bis zur letzten Note mitteilt: die Cellistin Raphaela Gromes. © Michaela Weber
Im Nationalen Sinfonieorchester der Ukraine sitzen viele, auch junge Männer. Dank ihrer Kunstfertigkeit sind sie vom Kriegsdienst befreit – ein Privileg, das sie in klingender Münze zurückzahlen: mit Musik, dieser weltumspannenden Hoffnungsträgerin, gerade in Krisenzeiten. Das stellten der Kiewer Klangkörper und sein Dirigent Volodymyr Sirenko am Sonntagnachmittag im Prinzregententheater eindrücklich unter Beweis.
Dass dieses Konzert zustande kam, ist auch dem besonderen Engagement einer jungen Cellistin aus München zu verdanken: Raphaela Gromes, die im Dezember 2023 nach Kiew reiste, um sich mit der Ukraine zu solidarisieren und mit musikalischen Mitteln gegen den russischen Angriffskrieg anzuspielen. Konkret mit Antonín Dvoráks berühmtem Cellokonzert in h-Moll sowie viel (Mit-)Gefühl, das sich von der ersten bis zur letzten Note mitteilt. Hoch konzentriert, aber immer mit einem Lächeln im Gesicht und im kommunikativen Austausch mit Sirenko spielt sie sich durch die drei Sätze, deren Melodien weltbekannte Ohrwürmer sind.
Das macht eine überzeugende Interpretation nicht leichter. Gromes aber führt ihre innige Beziehung und individuelle Auseinandersetzung mit dem Stück mit reizvollen Verlangsamungen und spannungsgeladenen Accellerandi unmittelbar vor Ohren, hochemotional, aber nie sentimental. Mit Valentin Silvestrovs „Prayer for the Ukraine“ setzt die Solistin in der Zugabe ein weiteres Zeichen und bekräftigt ihr solidarisches Engagement auch damit, dass der Erlös der CD-Einspielung komplett in die Unterstützung der Ukraine fließt.
Damit begeistert Raphaela Gromes nicht nur das Publikum, sie animiert auch das Orchester, das sich hörbar von ihrem sensiblen Elan inspirieren lässt. Ihre eigene Güte beweisen die Musikerinnen und Musiker aus Kiew nach der Pause mit Dvoráks Symphonie Nr. 9 „Aus der Neuen Welt“. Anders als in einer großen Philharmonie, bietet das Prinzregententheater dafür eine intimere Atmosphäre, die von den Streichern sensibel ausgelotet und vom Powerplay der Blechbläser zum Dröhnen gebracht wird.
ANNA SCHÜRMER