PREMIERE

Dickens mit ein bisschen Disney

von Redaktion

Das Musical „Eine Weihnachtsgeschichte“ im Deutschen Theater

Starker Moment der Inszenierung: Scrooge (Uwe Kröger) wird mit dem Verlust seiner großen Liebe konfrontiert. © Jens Ochmann

Es gibt Dinge, die in der Adventszeit einfach dazugehören. „Der kleine Lord“ oder die „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ sind da zum Beispiel im Fernsehen absolutes Pflichtprogramm. Und selbstverständlich darf auch die „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens nicht fehlen. Egal, ob man nun der klassischen Verfilmung mit Patrick Stewart den Vorzug gibt, oder der witzigen Muppet-Version mit Michael Caine als Ebenezer Scrooge. Ergänzend dazu bietet sich nun noch ein Besuch im Deutschen Theater an. Denn hier zeigt man bis zum 8. Dezember eine Musical-Version dieses Dickens-Klassikers mit Musik von Michael Schanze.

Mit einer gesunden Portion Kitsch und Nostalgie

Schon vor Beginn der eigentlichen Show wird man da in vorweihnachtliche Stimmung versetzt. Mit Schlittenglöckchen und Schneemaschine. Und die von der Bühne kommenden Rufe nach Punsch und heißen Maronen tun ihr Übriges, um Erinnerungen an eigene Besuche auf dem Christkindlmarkt zu wecken. Zu Weihnachten gehört eben immer auch eine gesunde Portion Kitsch und Nostalgie. Das weiß Regisseur Christoph Weyers in dieser familientauglichen Produktion beides bestens zu bedienen, ohne dabei über das Ziel hinauszuschießen. Denn obwohl Dickens in seiner Erzählung natürlich mit Stereotypen arbeitete, gab er den Figuren dennoch genügend menschliche Züge.

Als Ebenezer Scrooge hat Uwe Kröger sichtlich Spaß daran, hier den alten griesgrämigen Grantler herauszukehren, für den das ganze Weihnachtsgedöns einfach nur alberner Humbug ist. Eine ungemütliche Spaßbremse, die keine Gelegenheit auslässt, um den Mitmenschen das Fest der Liebe gründlich zu versauern. Wobei es den drei Geistern, die ihn am Heiligen Abend heimsuchen, schnell gelingt, die harte Schale zu knacken und Scrooge wieder auf den rechten Weg zu bringen. Zur Erheiterung des Publikums weiß Kröger dabei vor allem die komödiantischen Episoden mit großen Gesten zu zelebrieren. Seinen wahrscheinlich stärksten Moment hat er aber dennoch dann, wenn Scrooge auf einer Zeitreise mit seinem jüngeren Ich konfrontiert wird und ein zweites Mal machtlos den Verlust seiner großen Liebe durchleiden muss. Eine berührende Szene, die umso stärker wirkt, nachdem Nadine Kühn unmittelbar zuvor als Geist der vergangenen Weihnacht mit ihrer überdrehten Revuenummer punkten durfte. In einem quietschigen Kostüm, das ebenso für Lacher sorgt wie der absurde Gandalf-Bart, den man Torben Bach als finster grummelndem Geist der Gegenwart angeklebt hat.

Fast alle Mitglieder des 14-köpfigen Ensembles verkörpern hier gleich zwei oder mehr Rollen, was neben schnellen Umzügen auch Wandlungsfähigkeit verlangt. Im Gedächtnis bleiben angesichts dieses flott vorbeirauschenden Bilderbogens vor allem Esther Konzett als Tiny Tim und Tim Al-Windawe, der als Bob Cratchit den liebevollen Familienvater gibt und in den gemeinsamen Szenen fürs nötige Gegengewicht zum Miesepeter Scrooge sorgt.

Was die mit viel Zuckerglasur überzogenen Lieder betrifft, hat sich Michael Schanze einerseits von traditionellen englischen Liedern inspirieren lassen. Gleichzeitig schielt er aber auch mehr als einmal zu den großen Disney-Klassikern. Was besonders auffällt, wenn im „Schöne und das Biest“-Stil plötzlich eine Straßenlaterne und eine Tür zum Leben erwachen. Beide kommen ebenso unvermittelt aus dem Nichts wie eine junge Erzählerin, die nach der Eröffnungsnummer nahezu komplett aus der Handlung verschwindet. Das schmeckt dann teilweise doch sehr nach Füllmaterial, tut der Begeisterung des Publikums aber letztlich keinen Abbruch. Von daher: Frohes Fest!
TOBIAS HELL

Weitere Vorstellungen

bis 8. Dezember;
Tickets unter
Telefon 089 / 55 234 444.

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