Die Alterswilde

von Redaktion

Ein Ereignis in Sachen Rock und Emotionen: Gianna Nannini in der Münchner Olympiahalle

Begeisterte Fans: Gianna Nannini spielte vor ausverkauftem Haus. © Martin Hangen

Diese Frau ist ein Spektakel: Gianna Nannini am Donnerstagabend in München. Stimmlich gibt es auch nach den vielen Jahren auf der Bühne keine Verschleißerscheinungen, die Italienerin rockt und röhrt wie eh und je. © Martin Hangen

Gibt es eigentlich das Wort „verwüstlich“? Falls ja, trifft es auf Gianna Nannini keinesfalls zu. Denn die tollste Tochter der Toskana ist zweifelsohne unverwüstlich. 1990 hat sie den Menschen einen italienischen Sommer beschert, „Un’estate italiana“. Und jetzt, 34 Jahre später, hat sie im bayerischen Winter, im „inverno bavarese“, mächtig eingeheizt. Ihr Konzert am Donnerstagabend in der ausverkauften Münchner Olympiahalle war ein Ereignis in Sachen Rock und Emotionen. Wenn es um magische Nächte geht, bleibt Gianna Nannini unschlagbar. Sie ist: „Bella e impossibile“.

Das fängt schon damit an, dass sie nicht einfach auf die schmucklose Bühne kommt. Sie stürmt und sprintet an die Rampe, als hätte sie sich zehn Espressi aus dem Sieneser Caffè-Imperium von Bruder Alessandro „Sandro“ reingeschossen, dem ehemaligen Formel-1-Fahrer.

Im Renntempo geht es mit ihrer ausgezeichneten Band dann auch weiter. „Das ist unsere Show“, ruft sie euphorisch auf Deutsch. Und alle wünschen sich noch einmal einen zünftigen „Scandalo“, wollen am „Profumo“ schnuppern und die „Primadonna“ hochleben lassen. Die Nannini ist zweifellos eine prima Donna. Dazu passt, dass sie gerade an ihrer ersten Oper arbeitet.

An dieser Stelle muss dann doch übers Alter geschrieben werden. Die Mamma von Teenager-Tochter Penelope (14) schafft ja das Wunder, trotz Geburtsjahr 1954 erst 41 zu sein. Denn ihre wahre Geburt als Künstlerin beziffert Gianna auf das Jahr 1983 – so heißt auch einer der fabelhaften Songs aus ihrem neuen Album „Sei nell’anima“, die sie in München spielt. Ohrwürmer wie „Filo spinato“ oder „Io voglio te“ klingen und werden bejubelt, als wären sie legendäre Nannini- Klassiker. Das schaffen nur wenige Stars, die schon das eine oder andere Jahrzehnt unterwegs sind.

Der Nachwuchs hält Gianna offenbar so jung, dass sie irgendwann einfach aufgehört hat, älter zu werden. Stimmlich gibt’s eh keine Verschleißerscheinungen, sie rockt und röhrt wie eh und je. Auch den Blues ihres 45 Jahre alten Covers „Me and Bobby McGee“ bringt sie brillant auf die Bühne (obwohl sie 1979 nach ihrer Rechnung eigentlich noch gar nicht geboren war). Am Ende legt sie sich auf den Boden, lässt sich feiern und erkundigt sich, ob die Fans „pronti“ sind. Natürlich sind sie bereit für die Luca-Toni-Hymne „Bello e impossibile“ und für Vollgas mit „Latin Lover“. Die Frau ist ein Spektakel. Gibt es eigentlich das Wort „alterswild“?
Jörg Heinrich

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