Vortreffliche musikalische Partner: Pianist Alexander Melnikov (li.) und Dirigent Maxim Emelyanychev. © Sebastian Widmann / mphil
Schnittke als Höhepunkt eines Philharmoniker-Konzertes? Im Programmheft war Mozart dafür vorgesehen. Aber der junge russische Dirigent Maxim Emelyanychev wagte es, die von Gennadij Roschdestwenskij zusammengestellte „Gogol-Suite“ des deutsch-russischen Komponisten ans Ende zu setzen. Mit höchstem Erfolg, denn Alfred Schnittke schafft es, die Zuhörer mit virtuoser Polystilistik – er zitiert viel Wohlbekanntes – und mit wunderbarem Witz zu begeistern.
Eröffnet wurde das Abokonzert am Freitagabend in der gut besuchten Isarphilharmonie mit Prokofjews zweitem Klavierkonzert in g-Moll. Mit Alexander Melnikov trat ein Solist an, der den Dauereinsatz in vier Sätzen mit Bravour erfüllte. Nicht nur, dass er in den Läufen virtuos über die Tastatur fegte und die rhythmischen Herausforderungen souverän meisterte, er erzählte und strukturierte die ausführliche (Durchführungs-)Kadenz voller Spannung. Nach dem Scherzo mussten die Zuhörer erst mal wieder zu Atem kommen, um das gestisch-groteske, gestaltreiche Intermezzo vor der mit gesanglich-expressiven (Orchester-)Momenten durchsetzten Raserei des Finales zu genießen. Orchester und Dirigent akkompagnierten vortrefflich.
Wie viel Ganzkörper-Einsatz der 28-jährige Maxim Emelyanychev riskiert, wurde hernach sicht- und hörbar. Mozarts Haffner-Symphonie in D-Dur – vom genialen Schöpfer quasi nebenbei aufs Papier gefetzt – klang pointiert, geistreich und bis ins Detail ausgefeilt. Ein sprühender Genuss, an dem natürlich auch die bestens aufgelegten Philharmoniker ihren Anteil hatten.
Der ohne Stock und auf dem Boden (nicht auf dem Podest) agierende, bei vielen Spitzenorchestern gastierende „Il Pomo d’Oro“-Dirigent stachelte das (zuletzt riesige) Orchester nicht nur zu temperamentvollem, sondern auch punktgenauem Spiel an. Präzision war nötig, um Schnittkes mal duftige, mal stotternde, mal schmutzige, mal schräge und irgendwie immer ein bisschen vertraute Klänge (Beethovens Fünfte, Haydn, Zauberflöte, Walzer, Tango) in all ihrer einfallsreichen Instrumentierung zu präsentieren. Das war ein Vergnügen, ein großer Spaß, den der 1998 verstorbene Komponist allerdings im achten „Testament“ betitelten Abschnitt mit großem Ernst, ja mit Tragik ausklingen lässt. Aber die Freude überwog und erhellte den Heimweg.
GABRIELE LUSTER