„Natürlich bin ich enttäuscht“

von Redaktion

Das Bayreuther Streichkonzert und seine Folgen für die Festspiel-Entwicklung

Bayreuth als Bayerisches Staatstheater? Eine radikale Änderung der Trägerstruktur wäre vielleicht die beste Chance. © Karmann

Fotomontage eines Instagram-Spaßvogels: Während 2026 der neue „Rienzi“ gehätschelt wird, säuft der Kult-„Tannhäuser“ ab. Er kommt erst 2027 wieder. © Instagram

Die Sache fühlt sich paradox an. Alle haben einen Mordskater, obwohl gar kein Alkohol geflossen ist. Nachdem die Bayreuther Festspiele ihre Jubiläumssaison zusammengestrichen haben, ist klar geworden, unter welchem finanziellen Druck man dort steht. Und der lässt sich offenkundig nicht mit kleinen Kürzungen mildern, sondern nur mehr mit drastischen Einschnitten. Wie berichtet, sollten 2026, zum 150. Geburtstag des Festivals, alle zehn dort üblichen Wagner-Opern plus erstmals „Rienzi“ gezeigt werden. Stattdessen gibt es neben dem „Rienzi“ lediglich Wiederaufnahmen von „Der fliegende Holländer“, „Parsifal“ und einen halbkonzertanten „Ring des Nibelungen“. Die großen Jubiläumspläne der Festspielleiterin sind damit Makulatur.

„Natürlich bin ich enttäuscht“, sagt Katharina Wagner im Gespräch mit unserer Zeitung. „Aber was soll man tun? Man kann sich der Realität nicht verschließen.“ Das Streichkonzert hat dabei eine Bedeutung über 2026 hinaus. „Es geht bei alledem auch um die mittelfristige Finanzplanung der Festspiele“, erklärt die Festspielleiterin. „Eine entscheidende Rolle spielt dabei, ob die Tariferhöhungen übernommen werden oder wir diese aus unserem eigenen Etat bestreiten müssen.“ Im Klartext, auch wenn dies keiner so hart formulieren will: Ohne die Einsparungen im Jubiläumsjahr sind die Festspiele in ihrer jetzigen Form gefährdet. Wie viele andere Kulturinstitutionen müssen die Bayreuther die Tariferhöhungen irgendwie auffangen. Das wiederum könnte Auswirkungen aufs Programm haben, weniger Vorstellungen und Neuproduktionen wären die Folge. Schlimmstenfalls gibt es Stellenkürzungen oder starke Einschnitte in die Struktur.

Derzeit kämpfen viele Kulturinstitutionen an zwei Fronten: Sie müssen die Tariferhöhungen ausgleichen und parallel dazu mit sinkenden Zuschüssen der öffentlichen Hand zurechtkommen. All das kann den Fortbestand bedrohen. Ob zum Beispiel die Berliner Schaubühne in ein paar Jahren noch existiert, ist derzeit noch offen.

So dramatisch ist die Lage der Bayreuther Festspiele noch nicht. Aber es wird für Katharina Wagner immer schwieriger, programmatische Neuerungen zu realisieren. Seit einiger Zeit ist klar, dass sie etwa die Premierenfolge verändern möchte. Pro Sommersaison soll es nämlich nicht mehr eine, sondern zwei Neuproduktionen geben. Diese würden dann kürzer laufen. Ergebnis wäre eine höhere Premieren-Schlagzahl und Novitäten-Dichte: eine Möglichkeit, um Bayreuth attraktiver zu machen und im Gespräch zu halten. Den „Parsifal“ gäbe es allerdings jedes Jahr zu sehen, die Bedeutung des Herzstücks der Festspiele wird damit unterstrichen.

Über alledem steht die zentrale Frage: Woher sollen die Festspiele künftig genügend Geld bekommen? Die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth hat schon vor Monaten erklärt, dass sie ihren Beitrag halbieren wollen. Die traditionsreiche Sponsoren-Vereinigung gibt damit einen Teil ihres Einflusses auf. Der Freistaat Bayern erklärte daraufhin, er wolle dies teilweise finanziell ausgleichen – und damit auch mehr Einfluss. Immer deutlicher wird gerade in dieser Finanzdebatte, dass die verworrenen Beteiligungs- und Entscheidungsstrukturen alles andere als hilfreich sind für den Fortbestand der Festspiele. Bund, Freistaat und letztlich auch die Festspielleiterin können sich daher eine Reform dieser Konstruktion vorstellen. Die Festspiel-Freunde sind da zurückhaltender, weil sie wohl die Marginalisierung ihres Einflusses fürchten.

Die einfachste Möglichkeit wäre die brutalste: eine völlige Zerschlagung der bisherigen Struktur. An deren Ende stünde dann ein Staatstheater Bayreuth unter der Obhut Bayerns, eventuell mit (geringerer) Beteiligung des Bundes. Der Vorteil: Die Bayreuther Organisation würde schlanker, wendiger und damit fit fürs 21. Jahrhundert. Angeblich kann sich das manch Verantwortlicher des Freistaats gut vorstellen. Was der Bund will, darüber herrscht wohl erst nach der Berliner Regierungsbildung mit einem dann neu besetzten Kulturministerium Klarheit.

Der Verwaltungsrat der Bayreuther Festspiele hat inzwischen erklärt, auch er stehe hinter den Einschnitten beim Jubiläumsprogramm 2026. Jeder wisse, dass die öffentlichen Haushalte sehr belastet seien. Die Festspiele könnten davor nicht die Augen verschließen, sagte der Chef des Gremiums, Georg von Waldenfels. Auch im Hinblick auf Tariferhöhungen trage die Festspielleitung die Verantwortung, alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen. Verstärktes Bemühen um neue Sponsoren aus der Wirtschaft sei sehr wichtig für Bayreuth, sagte Waldenfels. „Kontakte werden gepflegt.“ Dennoch: Aufgrund der derzeitigen Wirtschaftskrise in Deutschland sei es „außerordentlich schwierig“, Unternehmen zu gewinnen.

Betroffen vom Streichkonzert sind vor allem auch die Künstlerinnen und Künstler. Sie haben sich ja den Bayreuther 2026er-Sommer für ihre jeweiligen Einsätze reserviert. Befürchtungen, diese müssen nun mit erheblichen Gagen-Ausfällen zurechtkommen, möchte Katharina Wagner aber zerstreuen: „Die bei uns engagierten Künstlerinnen und Künstler sind mit dem Wagner Repertoire bestens vertraut, so dass es hier andere Rollenangebote innerhalb der Festspiele als Kompensation geben kann.“
MARKUS THIEL

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