Ein verspieltes Mobile aus irdischem Krimskrams und spacigen Reliquien hat Wolfgang Kaiser mit „Omen“ gebastelt. © T. Dashuber
Anfassen erlaubt! Wer sich vom Aufsichtspersonal weiße Handschuhe geben lässt, darf den schrundigen schwarzen Brocken berühren, der da auf einem edlen Holzgestell ruht und einen gleich am Eingang empfängt. Aber spätestens das beachtliche Gewicht des rätselhaften Objekts macht deutlich, dass es kein Lavastein ist. Vielmehr handelt es sich um einen Meteoriten, der aus den Weiten des Weltraums kam – und zu 94 Prozent aus Eisen besteht.
Selbst wem die Sterne sonst schnuppe sind, dürfte eine gewisse Andacht verspüren ob der leibhaftigen Berührung mit einem Gegenstand, der buchstäblich nicht von dieser Welt ist und uns Bewohner einer „kosmischen Twitter-Blase“ in touch bringt mit unendlichen Weiten. „Visitor, be my guest“ heißt die Begrüßungs-Installation von Olaf Nicolai, die den so greifbaren wie ergreifenden Auftakt bildet zur neuen Ausstellung der Münchner Eres-Stiftung. Gemäß ihrem Konzept einer Begegnung von Kunst und Wissenschaft, offeriert sie uns „Meteoriten – mysteriöse Boten aus dem All“, wobei die Kunstpräsentation, wie stets, von Vorträgen bekannter Naturwissenschaftler begleitet wird.
Dass die Botschafter aus dem All nicht sehr diplomatisch, sondern schlagkräftig daherkommen, zeigt die große Vitrinen-Arbeit „True Stories“ von Lukas Kindermann, die in der peniblen Dokumentation mythisches Potenzial freilegt. Der Künstler hat Text- und Bildberichte über Meteoriteneinschläge aus den vergangenen 500 Jahren gesammelt – und in langwieriger Arbeit zugleich Original-Bruchstücke der jeweiligen „Donnersteine“ aufgetrieben, die mit ausgestellt werden. Nicht auf Originale, sondern absichtlich aufs täuschende, eitle Oberflächengefunkel setzt hingegen Julius von Bismarcks Installation „Time Apparatus“: Zwei längliche Felsbrocken (irdischer Herkunft), die mit konkaven Spiegel-Prismen wie mit Weltraum-Strass besetzt sind, hängen von der Decke und führen dank eines raffinierten Mechanismus gefährlich taumelnde Asteroiden-Bewegungen aus. Die Fototapete darum herum erinnert zwar an eine Bildstörung beim alten Schwarz-Weiß-Fernseher, zeigt aber die sogenannte kosmische Hintergrundstrahlung, ein Relikt des Urknalls.
Ziemlich durchgeknallt wirkt freilich auch Yael Bartanas Science-Fiction-Modell eines „Generationenraumschiffs“. Im Fall des Weltuntergangs soll die Menschheit damit ins All entfliehen, und weil angesichts der kosmischen Entfernungen die Suche nach einem bewohnbaren Planeten zigtausende Jahre dauern kann, müssen die unzähligen Generationen der Auswanderer im Schiff natürlich auch Landwirtschaft betreiben. Wie ernst dieser Trend zur Zweit-Erde gemeint ist, sei dahingestellt, andere Arbeiten nähern sich jedenfalls mit absichtlichem Humor den „mysteriösen Boten“, die aus der Kälte kamen. Wolfgang Kaiser etwa hat mit „Omen“ ein verspieltes Mobile aus irdischem Krimskrams und spacigen Reliquien gebastelt: Neben einer alten Fischhaut, die der Künstler aus dem Mittelmeer klaubte, ist auch ein original Weltraum-Werkzeug der NASA mit blau leuchtendem Griff aufgehängt. Man merkt: Die galaktischen Gefühle, die der Weltraumnippes auslöst, sind eine Schrumpfform religiöser Ehrfurcht…
ALEXANDER ALTMANN
Bis 11. Mai,
Römerstraße 15, Do. 14 bis 18 Uhr, Sa. 11 bis 18 Uhr, Eintritt frei.