Möchte weiter Köstliches schaffen: die Künstlerin Annemarie Faupel. Auch sie arbeitet in einem Atelier der Platform München. © ABR-Pictures/Frank Rollitz
Annemarie Faupel weiß, was potenziellen Käufern schmeckt. Die Münchner Künstlerin ist spätestens seit der diesjährigen Benefizauktion der PIN.Freunde in der Pinakothek der Moderne bekannt für ihre knalligen Stillleben von Bonbons, Donuts, zuckergussüberzogenen Kuchen. Gerade hat sie in der Lobby des Luxushotels Mandarin Oriental ausgestellt – und schon bei der Eröffnung wimmelte es nur so von roten Punkten unter den Bildern. Verkauft, verkauft, verkauft. Da muss sich eine wohl keine Sorgen um die nächste Miete machen. Schön wär’s, findet Faupel. Bei aller Freude über ihren Erfolg – die junge Künstlerin ist auch am Abend der Vernissage in Gedanken bei ihrem Atelier, das sie sich mit zwei Kolleginnen teilt. Denn ob sie dort weiter werden arbeiten können, ist ungewiss. Es ist Teil der Platform München, eines Atelierhauses an der Kistlerhofstraße 70. Den dortigen Arbeitsstätten droht die Schließung.
Mit Unterstützung des Referats für Arbeit und Wirtschaft wurde das Projekt 2009 ins Leben gerufen. Die Platform München ist seither eine Plattform im wahrsten Sinne: Auf rund 2200 Quadratmetern gibt es neben 38 Ateliers eine Ausstellungsfläche, Volontariate im Bereich Kulturmanagement werden angeboten. Die Mieten der reinen Atelierflächen werden nicht subventioniert, Faupel und ihre Kolleginnen und Kollegen zahlen elf Euro pro Quadratmeter. Allerdings werden die Kosten für Verwaltung und Wartung des Gebäudes und die der gemeinsamen Ausstellungsfläche übernommen. Das soll künftig nicht mehr der Fall sein. Den Künstlerinnen und Künstlern drohen daher hohe Kosten, die sie nicht stemmen können. Das bedeutet de facto zwar nicht das Aus für die weiterhin geförderten Qualifizierungsmaßnahmen der Platform, jedoch für ihre Arbeits- und Ausstellungsräume.
Und damit für einen Ort, an dem Vernetzung gelebt wird, man miteinander und voneinander lernen kann – etwa, wie man sich auf dem Kunstmarkt etabliert. Faupel ist ein gutes Beispiel: Sie hat verstanden, dass die zuckersüßen Stillleben gern gekauft werden – und malt sie auch, um unabhängig von finanziellen Anreizen freier schaffen zu können. Wie zuletzt, als die Schülerin von Gerhard-Richter-Schülerin Karin Kneffel ihre nackte, damals 99 Jahre alte Großmutter malte. Im Großformat. Eine Serie über Körperlichkeit, Schönheitsideale, die Frage, wie wir mit Alter umgehen. Kein Projekt für Faupels Geldbeutel, sondern eines, das ihr am Herzen lag.
Seit 2013 wird die Platform München von der städtischen Tochtergesellschaft Münchner Arbeit gGmbH verwaltet. Letztere teilte den Mitgliedern vor Kurzem mit, dass das Referat für Arbeit und Wirtschaft zwar die Qualifizierungsmaßnahmen weiter fördern, den Künstleratelier-Bereich der Platform jedoch ab 2026 einsparen will. Wegen der aktuellen Haushaltslage der Stadt München. „Die Kürzungen treffen die Platform und dort in erster Linie die Künstlerinnen und Künstler überproportional und existenziell, denn sie wurden zum Anlass genommen, das Projekt ab 2026 komplett zu beenden“, sagt einer der Betroffenen, Nikolai Vogel. „Die Begründung ist, dass es in den Etat des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogrammes nicht hineinpasst, obwohl der Stadtrat dieses Projekt viele Jahre mehrfach bewilligte.“ Soll heißen: 17 Jahre lang hat die Stadt etwa in bauliche Maßnahmen für die Platform investiert – diese Investitionen wären bei Auflösung für die Katz. „Unter Aspekten der Nachhaltigkeit kaum sinnvoll“, findet Vogel. Er und seine Mitstreiter appellieren an die Verantwortlichen der Stadt, eine Lösung zu finden. Denn: „Eine Stadt wie München braucht mehr (erschwingliche!) Ateliers, nicht weniger. Zumindest, wenn sie betont, dass Kunst und Kultur ihr wichtig sind.“
Hannes Stelzer, Geschäftsführer der Münchner Arbeit gGmbH, versteht die Sorgen der Künstlerinnen und Künstler. Und hofft wie sie, dass eine Lösung gefunden wird. Möglich wäre beispielsweise, dass das Kulturreferat künftig die Kosten übernimmt – in Zeiten klammer Kassen allerdings eher unwahrscheinlich. „Uns wurde jedoch von Seiten verschiedener Stadträte aus mehreren Fraktionen, des Kulturreferats und des Referats für Arbeit und Wirtschaft versichert, dass die Situation der Künstlerinnen und Künstler sehr ernst genommen wird und sich alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten für den Erhalt der Ateliers in der Platform einsetzen werden“, betont Hannes Stelzer auf Anfrage. Ein kleiner Hoffnungsschimmer, auf den Nikolai Vogel und seine Kollegen setzen: „Wir geben die Hoffnung nicht auf.“
KATJA KRAFT