INTERVIEW

Der Schlagzeuger der Stars

von Redaktion

Bertram Engel über 50 Jahre an der Seite von Peter Maffay und Udo Lindenberg

Begnadeter Musiker: Bertram Engel. © Bauerfeind

„Udo ist bedachter, ein bisschen ruhiger. Peter hat diese Energie, er muss alles immer heute machen“, sagt Bertram Engel über Lindenberg und Maffay. Und er muss es wissen. © Niering/dpa

Er ist der Mann aus der zweiten Reihe – doch ohne ihn geht nichts: Bertram Engel gilt als der beste Schlagzeuger Deutschlands und ist seit Jahrzehnten mit zwei der größten Musiker unterwegs, die „wir“ haben: Udo Lindenberg und Peter Maffay. Im September ist das erste Buch des 67-Jährigen erschienen, in dem er sehr kurzweilig und unterhaltsam aus seinem Leben und über die beiden „parallelen Langzeitehen“ erzählt, die er mit Maffay und Lindenberg führt. Stoff genug auch für ein Bühnenprogramm. Am 17. Januar kommt Engel nach München (siehe Kasten).

Herr Engel, „Mit alten Männern spiel‘ ich nicht“ lautet der Titel Ihres Buches. Das hat vor dem Hintergrund, dass Sie der Schlagzeuger sind von Lindenberg (78) und Maffay (75), einen guten Witz.

Mir gefällt das auch. Das erste Mal ist der Satz aber schon vor 40 Jahren gefallen, und zwar im Studio von Peter Maffay in Tutzing, während der Sessions für das „Carambolage“-Album. Wir waren damals zum ersten Mal seit Langem wieder zusammengekommen. Ich war gut im Training, weil ich mit meiner eigenen Band zuvor unterwegs gewesen war, aber die restliche Truppe war ziemlich lahmarschig unterwegs, wenn ich das so sagen darf. Und so was nervt mich. Nach zwei Stunden hatte ich den Hahn voll, warf die Stöcke weg und sagte: „Ich habe keinen Bock auf diesen Alte-Männer-Scheiß.“ Das war meiner Erinnerung nach der Originalsatz.

Und Peter Maffay …

… war stark beeindruckt, um es vorsichtig zu sagen – zumal die Stöcke vor seinen Füßen gelandet waren. Er fand meinen Ausraster nicht respektvoll ihm gegenüber – er war ja der Boss. Wie sehr es ihn beeindruckt hat, habe ich aber erst gemerkt, als er die Geschichte unlängst in einem Interview erzählte. Die Journalistin wollte wissen, wie er sich fit hält und so, und da berichtete er von einem Trommler, also mir, der ihm einst gesagt hätte: „Mit alten Männern spiel‘ ich nicht.“ Auch deswegen habe er in den vergangenen Jahren alles getan, um gesund zu bleiben und eben nicht alt zu werden. Er hat sich den Satz zu Herzen genommen. Ist doch gut, oder?

Auf jeden Fall.

Für mich gilt der Satz übrigens auch bis heute. Er ist Sinnbild geworden für: positiv im Kopf sein, Perspektiven sehen, frisch in der Birne bleiben. Abgesehen davon ist er gut zu vermarkten, man kann ihn auf T-Shirts drucken und auf Tour gehen. (Lacht).

Es gibt tatsächlich viele Musiker, gerade Rockstars, die auf die 80 zugehen oder darüber hinaus sind, und sehr jung geblieben sind. Ist das Leben mit Sex, Drugs und Rock’n’Roll am Ende doch gesund?

Na ja, also die ganzen Zaubermittelchen, die man so einschmeißt, halten einen bestimmt nicht jung. Ich habe damit vor gut 20 Jahren aufgehört, sonst würde es mir heute anders gehen. Aber was einen jung hält, ist die Leidenschaft für die Musik. Die Kreativität, die Lust, immer wieder auf Neues zu treffen. Und die harte Arbeit. Ohne die geht es nicht.

Wenn man auf Ihr Leben blickt, bekommt man den Eindruck, dass Sie neben harter Arbeit tatsächlich auch oft das Glück hatten, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Absolut. Allein die Ecke, in der ich aufgewachsen bin.

Das Münsterland.

Ja. Mein Bruder war ein Freund von Steffi Stephan, dem Bassisten von Udo Lindenberg, der bis heute dort in der Gegend lebt. Irgendwann, wir sind in den Siebzigern, bin ich einfach mal mitgegangen zu den Proben, hab selbst vorgespielt – und Udo hat mein Talent erkannt. Drei Jahre später rief er an, weil sein eigentlicher Trommler im KokainWahnsinn kurz vor der Tour ausgefallen war.

Stimmt es, dass Lindenberg erst Ihre Mutter an der Strippe hatte?

Ja, das stimmt. Er hat bei uns zu Hause angerufen – damals gab es ja keine Handys – und meine Mutter erklärte ihm, dass ich nachmittags immer im Plattenladen im Ort abhängen würde. Also rief Udo da an und fragte, ob ich mir die Münchner Olympiahalle zutraue.

Und Sie haben einfach Ja gesagt?

Ja klar. Ich hab gesagt, es gibt keinen außer mir, der das machen kann. (Lacht.) Mit 17 ist man genauso naiv wie selbstbewusst. Ich wusste in Wahrheit überhaupt nicht, wie groß die Olympiahalle ist, wie sie klingt. Aber „Nein“ sagen war für mich keine Option. Nur wer „Ja“ sagt, kann sich auch beweisen.

Es ist ja auch gut gegangen.

So ist es. Ich war von da an Teil der Truppe.

Wie kamen Sie zu Maffay?

Der war bei meiner zweiten Tour mit Udo, „Sister King Kong“, mit seinem Manager beim Konzert, auch in München. 1976. Peter wollte sich damals verändern, raus aus der Schlager-Ecke und weiterkommen. Am nächsten Tag rief er an.

Sie schreiben im Buch, dass man Maffay damals eigentlich nur heimlich hören durfte …

In meinem Umfeld hat man es eher gar nicht gehört. (Lacht). Ich aber war im Tiefsten meines Innern schon immer zart besaitet und mich haben so menschliche Texte wie bei „Es war Sommer“, „Josie“ oder „Du“ angesprochen. Das war ja kein Uffta-Uffta-Schlager, sondern das waren Songs, die mit Inbrunst von jungen (!) Männern von Anfang 20 geschrieben wurden. Das hatte ja kein 70-Jähriger verfasst, das muss man wissen. Hinzu kam Peters unglaubliche Stimme.

Maffay und Lindenberg – „zwei Musiker, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten“, schreiben Sie. Gab es zwischen den beiden je Eifersüchteleien, weil sie sich Sie als Schlagzeuger teilen mussten?

Wir hatten das Glück, dass Fritz Rau Veranstalter von beiden war. Und deswegen hat er darauf geachtet, dass sich die Tourneen und die SchallplattenVeröffentlichungen nicht überschneiden. Das war natürlich super für uns.

Und wenn Sie beide in wenigen Worten charakterisieren müssten.

Ganz kurz gesagt: Peter Maffay ist schnell, Udo Lindenberg ist langsam. Aber es ist wie in dem Roman von Sten Nadolny „Die Entdeckung der Langsamkeit“: Manchmal kommt die Schildkröte schneller zu ihrem Ziel als der Windhund. Udo ist bedachter, ein bisschen ruhiger. Peter hat diese Energie, er muss alles immer heute machen. So was kennt Udo gar nicht. Der sagt immer: Lass uns erst mal einen Champagner trinken.

Apropos. Sie schreiben über die „Tabaluga“-Tour von Peter Maffay: „Man lebte wochenlang in einer abgekapselten Welt mit diesen ganzen Wunderbäumen, Schneemännern, Zwergen und halb nackten Tänzerinnen, die hinter der Bühne rumsprangen.“ Und weiter: „Um das alles auszuhalten, hatte der Rock ’n’ Roll Einzug gehalten. Haschisch, Alkohol, Koks und anderes Zeug wurden 24/7 zum Personal Coach.“ Maffay war nicht happy über diese Zitate, sah sich zu einer Beschwichtigung auf Instagram veranlasst…

Ja, Peter fand das nicht optimal. Ich möchte dazu eigentlich nichts mehr sagen. Wir haben uns auf eine Formulierung geeinigt: Schnee von gestern.

Sie haben das Thema miteinander aus der Welt geschafft?

Wir haben uns wieder vertragen, ja. Es wäre auch schlimm gewesen, wenn unsere fast 50-jährige Ehe daran zerbrochen wäre. Das haben wir zum Glück irgendwann beide so gesehen. Wir sind wieder beste Freunde.

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