Fit gemacht für eine neue Generation von Fans: Die neue „Grease“-Version mit Ben Darcy als Danny rockt derzeit durchs Deutsche Theater. © Jochen Quast
Da sind sie wieder! Die Lederjacken und Petticoats, die bei keiner richtigen „Grease“-Vorstellung fehlen dürfen. Und die Rede ist hier natürlich keineswegs nur vom Ensemble oben auf der Bühne. Auch im Foyer des Deutschen Theaters München lautet der Dresscode bei einigen Hardcore-Fans „Back to the Fifties“ – gestylt von den Schuhen bis zur Schmalzlocke. Doch auf Nostalgie allein will sich Regisseur James Grieve hier zum Glück nicht verlassen.
Die neue englischsprachige Tourneeproduktion will bewusst zurück zu den Wurzeln des Stücks, das bereits bei seiner Uraufführung 1972 in Chicago einen nicht immer ganz ernst gemeinten Blick auf die angeblich ach so heile Welt der Fifties warf. Da ist im Originaltext einiges ein wenig ruppiger als in der berühmten überzuckerten Filmversion von 1978. Die wird übrigens mit einem Vintage-Kinoposter liebevoll parodiert, das im Prolog die Verfilmung von Dannys und Sandys herzerwärmender Geschichte anpreist. Und auch ein paar Songs, die damals vor dem Transfer an den Broadway gestrichen wurden, finden nun quasi als Bonus-Tracks den Weg zurück auf die Bühne. Etwa Dannys Solo „How big I’m gonna be“, das nur so vor maßloser Selbstüberschätzung strotzt.
Aber keine Angst, der Mitsing-Faktor ist dadurch selbstverständlich nicht gefährdet. Denn auch die bekannten Ohrwürmer fehlen keineswegs und sorgen weiterhin für gute Laune. Ebenso wie die akrobatischen Tanzeinlagen, die Choreografin Rebecca Howell auf die Bühne zaubert und die einen schon beim bloßen Zuschauen in Atemnot bringen. Das junge Ensemble widmet sich dieser Aufgabe allerdings mit Bravour und bringt spätestens beim wirbelnden „Hand Jive“ die Stimmung im Saal endgültig zum Überschwappen.
Was diese „Grease“-Produktion nahezu perfekt macht, ist aber vor allem die Tatsache, dass man es endlich einmal wagt, den Figuren mehr als nur zwei Dimensionen zu gönnen. Sicher, auch hier ist immer noch viel Slapstick mit dabei. Das liegt nun einmal in der Natur der Show und gibt vor allem der resoluten Schuldirektorin von Catherine Morris einige denkwürdige Auftritte. Und auch wenn sich Will Jennings als schmieriger Radio-DJ in sexy Elvis-Gedächtnispose wirft, verfehlt das beim Publikum nicht seine Wirkung.
Gleichzeitig weiß Regisseur Grieve aber vor allem die jungen Frauen in dieser reichlich klischeehaften Geschichte meist deutlich selbstbewusster als gewohnt zu inszenieren. Da scheint die von Rio Maye mit einer gesunden Mischung aus Arroganz und Coolness verkörperte Rizzo ordentlich auf ihre Pink Ladys abgefärbt zu haben. Und selbst Lottie Power muss als Sandy nicht immer nur das brave Blondchen aus der Provinz mimen, sondern darf im Laufe der Handlung immer wieder mit stolz erhobenem Kopf ihre Stellung behaupten. Deshalb kommt auch die berüchtigte Verwandlung zum verführerischen Vamp am Ende nun nicht mehr ganz so plötzlich aus dem Nichts. Zumal auch Ben Darcy als Danny spüren lässt, dass das harte Rocker-Image bei ihm wenig mehr ist als eine Fassade. Womit die Chemie zwischen beiden Turteltauben absolut im Gleichgewicht liegt. Genau wie übrigens mit seinem besten Kumpel Kenickie, der bei Danny Nattrass permanent unter Strom steht, aber trotzdem auch einen weichen Kern hat.
Am Ende gibt es die gewohnten Standing Ovations und die überraschende Erkenntnis, dass man selbst ein angebliches Nostalgie-Vehikel wie „Grease“ offenbar doch ordentlich entstauben und für eine neue Generation flottmachen kann. Vorausgesetzt, man weiß, wie es geht!
TOBIAS HELL
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