NEUERSCHEINUNG

Zeichnungen aus 1001 Nacht

von Redaktion

Ein märchenhafter Karikaturenband von Horst Haitzinger

„Bin schon da!“ – Karikatur von 1989: Schneller als gedacht beginnt die Auflösung des Ostblocks. © Horst Haitzinger

Froschkönig Joschka Fischer: 1995 war die SPD für die Grünen als Koalitionspartner nicht mehr attraktiv. © Horst Haitzinger

Immer noch kreativ: der Zeichner Horst Haitzinger. Rund 16 000 Karikaturen hat er im Laufe seiner jahrzehntelangen Karriere geschaffen. © Heinz Gebhardt

Hänsel und Gretel verirren sich im vermüllten Wald, der rechtsradikale böse Wolf Jörg Haider lässt die EU-Geißlein zittern: Die Karikaturen des einstigen „tz“-Zeichners Horst Haitzinger speisten sich oft aus der Welt der Märchen. Matthias Pausch und Eckehard Roßberg haben jetzt einen neuen Haitzinger-Bildband herausgebracht, in dem sie das Werk des wohl bekanntesten deutschen Karikaturisten nach Märchen-Vorbildern ordnen: Hase und Igel, Froschkönig oder Rumpelstilzchen blieben für Haitzinger aktuell, auch wenn sich die dazugehörigen Protagonisten von Strauß bis Scholz, von Genscher bis Gysi änderten.

„Horst Haitzinger – Von Aschenputtel bis Zwerg Nase“ so der Titel des Karikaturen-Bandes, der Trost für alle bietet, die die pointierten Zeichnungen schmerzlich vermissen, die der Karikaturist 51 (!) Jahre lang für die „tz“ zeichnete. 2019 zog sich der heute 85-Jährige aus der Mühle der täglichen Suche nach einer zündenden Karikaturen-Idee zurück. Aber ein Haitzinger kann nicht aufhören, kreativ zu sein: Noch immer arbeitet er an seinen Ölgemälden, die wie die Karikaturen des neuen Buchs seine Liebe zum Märchenhaften zeigen.

Diese Faszination von verwunschenen, geheimen Welten hätten die Rübezahl-Märchen in ihm geweckt, verrät Haitzinger in dem lesenswerten Interview, das die Karikaturen-Sammlung abrundet. „Also, da hat mich zum Beispiel sehr fasziniert, dass der Rübezahl die Königstochter ins tiefe Innere des Berges entführt, wo sich dann wieder blühende Wiesen auftun“, erzählt er. „Da dachte ich mir, innerhalb der Welt ist noch eine“ – dieser Gedanke inspiriere bis heute seine Kunst.

Rund 16 000 Karikaturen hat Haitzinger im Lauf seiner Karriere geschaffen. Sie thematisch zu ordnen, ist eine Arbeit, für die die Herausgeber wohl gern ein Tischlein-Deck-Dich gehabt hätten. Aber die Mühe hat sich gelohnt, denn so eine thematische Sammlung seiner Werke ist immer auch ein kleiner Streifzug durch die Geschichte der Bundesrepublik. Bei dem wird einem bewusst: Die Grundmotive der Politik wiederholen sich: So setzen Finanzminister damals wie heute auf den Goldesel. Und die rechten Rattenfänger waren schon Ende der Achtzigerjahre unter Republikaner-Chef Franz Schönhuber aktiv. Insofern sind diese Märchen-Karikaturen zeitlos – Bilder aus Tausendundeiner Nacht.
KLAUS RIMPEL

M. Pausch/E. Roßberg (Hg.):

„Horst Haitzinger – Von Aschenputtel bis Zwerg Nase“. Nünnerich-Asmus-Verlag, Oppenheim,
96 Seiten; 19 Euro.

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