Gernstls letzte Zeitreise

von Redaktion

BR-Legende verabschiedet sich mit der Fernsehpremiere seines zauberhaften Kinofilms

In einer gemeinsamen WG in der Münchner Landwehrstraße begann das Abenteuer für Franz (li.), HP (Mi.) und Stefan. © Privat

Über 40 Jahre haben der Reporter Franz X. Gernstl (li.) und seine Freunde HP Fischer (Kamera, Mi.) und Stefan Ravasz (Ton) Geschichten gesammelt. © Alpenrepublik

Was ist er denn nun, der Sinn des Lebens? Lässt er sich in einen klugen Satz packen, findet man ihn im Glauben, in der Familie oder nur in sich selbst? Antworten gab es viele in den vergangenen vier Jahrzehnten, in denen Franz Gernstl mit seinen beiden Freunden Stefan Ravasz (Ton) und HP Fischer (Kamera) durch die Welt gereist ist, um Alltagsphilosophen, Eigenbrötler und Lebenskünstlerinnen kennenzulernen. Damit ist künftig Schluss (wir berichteten ) – auch wenn die beiden letzten Reportagen des Trios an den Weihnachtsfeiertagen dem BR Fernsehen bemerkenswerte Marktanteile von knapp 16 und 15 Prozent einbrachten. Kleines Trostpflaster: An diesem Montag zeigt der langjährige Heimatsender um 20.15 Uhr den berührenden Kinofilm „Gernstls Reisen – Auf der Suche nach Irgendwas“ von 2023 als Fernsehpremiere. Warum er ohne Wehmut zurückblickt, erklärt Franz Gernstl im Gespräch mit unserer Zeitung.

„Auf der Suche nach Irgendwas“ ist ein feines Vermächtnis. Ein Film über eure Anfänge, eure Abenteuer, eure Freundschaft. Wie war‘s nach so vielen Jahren einige der Protagonisten wiederzutreffen, die ihr vor 40 Jahren kennengelernt habt?

Das war schon teilweise eigenartig. Manche haben sich in all der Zeit gar nicht verändert, bei anderen ist eine Menge passiert: ein Schicksalsschlag oder noch blöder – sie sind gestorben. Das Tragischste war ein Zimmerer aus Kiel, der 25 Jahre an einer prächtigen Segeljacht gebaut hat. Sein Plan war, mit dem Schiff in die Südsee zu fahren, dort eine Einheimische zu heiraten und mit ihr eine Familie zu gründen. Als wir ihm wieder begegnet sind, lag er im Sterbebett und hat uns erzählt, dass das Schiff beim Stapellauf abgesoffen ist. Ein gescheiterter Lebenstraum.

Wie oft wird man bei solchen Begegnungen wirklich persönlich berührt?

Wenn die Leute echt sind, dann packt’s mich. Was mich überhaupt nicht interessiert, ist, wenn mir einer was vorspielt. Das war ja immer unser Antrieb: authentische Menschen zu finden. Solche wie den Fuzzy, der uns am Wiener Naschmarkt über den Weg lief. Der war lange obdachlos und hat dann einen winzigen Kellerraum gefunden, in dem er sich eingerichtet hat. Der hat nur so vor Lebensfreude gesprüht. Vordergründig hätte man denken können, ein armer Hund. Aber damit lag man völlig falsch.

Der Film ist sehr persönlich, zeigt euch als junges Trio mit Familie, Freundinnen. Packt einen beim Anschauen der alten Bilder nicht manchmal die Wehmut?

Ne, also na. Ich bin nicht so sentimental veranlagt, versuche, das Leben zu nehmen, wie’s kommt. Die letzte Weisheit, die ich aus meinen Filmen und den vielen Begegnungen mit Menschen gezogen habe, ist: Es ist, wie’s ist, und es kommt, wie’s kommt.

Und trotzdem geht jeder mit seinen persönlichen Lebensumständen anders um. Der Film zeigt: Manche Menschen stecken trotz aller Widrigkeiten voller Optimismus und Lebensfreude, andere sind eher am Jammern und Hadern.

Ich glaube, mit diesem Lebensmut ist man von Geburt an gesegnet oder vielleicht haben‘s einem auch die Eltern vorgelebt. Oder man ist nicht so privilegiert – dann muss man ihn erst im Laufe des Lebens entwickeln.

In welche Kategorie gehören Sie?

Ich glaube zur zweiten. Ich war als Kind schon eher ein ängstlicher Typ, der nicht in den reichsten Verhältnissen aufgewachsen ist. Mein Vater war erfolgloser Unternehmer. Er hat einen guten Job gemacht, aber wir hatten nie Kohle. Ja nicht anecken, hieß es zu Hause. Erst mit den Jahren und durch die Begegnungen mit all den Menschen habe ich Selbstvertrauen entwickelt. Für mich war diese Arbeit ein permanenter Persönlichkeitsentwicklungsprozess.

Ihr Sohn Jonas hat in diesem Kinofilm mit Ihnen gemeinsam Regie geführt. Freut es Sie, dass er in Ihre Fußstapfen getreten ist?

Das freut mich sehr. Ich hab ja zwei Söhne, Jonas und Oliver, und beide arbeiten in unserer Produktionsfirma. Aber sie sind grundverschieden, und ich habe sie nie in diese Richtung gedrängt oder versucht, sie irgendwie hinzubiegen. Ich war sicher nicht immer ein Traumvater, aber vielleicht haben sie sich am Ende doch was abgeschaut, das ihnen gefällt.

Und was?

Ein gewisses Zutrauen ins Leben und eine Freundlichkeit den Menschen gegenüber. Und ein paar andere Werte als Kohle und Konsum und was man halt sonst so erstrebenswert findet.

Am Anfang des Films heißt es, dass euch eine gewisse Sucht befallen hat, am Leben anderer Menschen teilzunehmen. Dank Social Media ist das heute ja noch leichter als früher, oder?

Die Sucht, am echten Leben teilzunehmen, hat bei mir kein bisschen nachgelassen. Aber das ganze Social-Media-Zeug interessiert mich nicht sonderlich. Das ist ja nur Fassade, eine ganz eigene Welt. Ich glaube, dass es uns schon hin und wieder gelungen ist, den Leuten wirklich nahezukommen und ein paar Lebensweisheiten einzusammeln.

Und was ist er jetzt, der Sinn des Lebens?

Da gibt‘s ganz am Ende einen guten Satz. Der Sinn des Lebens ist, dass man es lebt. (Lacht.) Vielleicht ist es tatsächlich so einfach.

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