„Musik ist zusammen mit Leben und Liebe das schönste Geschenk, das meine Eltern mir gemacht haben“, sagt Plácido Domingo. Der es auch mit 83 Jahren liebt, auf der Bühne zu stehen. © Hanseatische Konzertdirektion
Sagen, erläutern muss man zu seiner Person nichts mehr. Plácido Domingo, der Name steht für sich und ist längst zu einer Weltmarke geworden. Zweimal ist er jetzt in Bayern zu erleben. Am 30. Januar tritt er im Konzerthaus Blaibach auf, was eine kleine Sensation ist: Intendant Thomas E. Bauer konnte den Superstar in den 200-Plätze-Saal locken, das Konzert ist längst ausverkauft. Am 18. März kommt Domingo für eine Opern-Gala in die Münchner Isarphilharmonie. Tickets unter 089/ 54 81 81 81.
In einem Interview haben Sie gesagt: „Die Wahrheit ist: Ich mache keine Pläne.“ Sind die derzeitigen Konzerte und Auftritte also eher zufällig entstanden?
Nichts geschieht zufällig. Ganz realistisch gesehen planen wir einfach nicht für zu weit entfernte Zeiträume. Mir erscheint das richtig so … Ich bin fast 84 Jahre alt! Aber es kommen weiterhin zahlreiche Anfragen. Das freut mich sehr, die Arbeit meines Managements ist für die Realisierung jeder Veranstaltung sehr wichtig.
Früher mussten Sie Ihren Terminkalender lange im Voraus planen. Können Sie also heute mehr im Hier und Jetzt leben?
Sicher. Heute ist mein Reiserhythmus weniger hektisch, sodass ich mit meiner Frau Städte besuchen, neue Freundschaften knüpfen oder Freunde treffen kann, die ich lange nicht gesehen habe. Das ist sehr schön.
Wann wandelte sich Stress und Druck zur puren Freude und Lust am Singen?
Musik und insbesondere der Gesang sind seit jeher und für immer Teil meines Lebens. Zusammen mit Leben und Liebe ist dies das größte Geschenk, das mir meine Eltern, die Sänger und unermüdliche Arbeiter waren, gemacht haben. Ich fühle mich geehrt, das, was ich liebe, eben die Musik, zum Beruf meines Lebens gemacht zu haben. Singen zu können, macht mir Freude. Aber es hört nie auf, dass ich vor dem Publikum ein Pflichtgefühl spüre. Ich versuche immer, mein Bestes zu geben, und hoffe, diejenigen zu berühren, die mir zuhören. Deshalb spüre ich noch immer dieses Adrenalin, das einen ja nie verlässt, wenn man eine so große Verantwortung trägt.
Im Januar treten Sie im Bayerischen Wald auf, im Konzerthaus Blaibach mit seinen 200 Plätzen. Wie klein war Ihr kleinstes Publikum?
Es wird etwas ganz Besonderes sein, in einer so intimen Atmosphäre aufzutreten. Das kleinste Publikum von allen war, so glaube ich, als meine Mutter meine Stimme entdeckte. Ich spielte Klavier und begann zu singen, meine Mutter hörte mich und sagte aufgeregt: „Mein Sohn, du hast eine Stimme!“ Und von da an begann mein Traum. Ich war 15 Jahre alt.
Wie nehmen Sie Ihr Publikum beim Singen wahr? Ist das Singen vor einem kleinen Publikum, das sehr nah vor einem sitzt, stressiger?
Von der Bühne aus nehmen wir die Emotionen des Publikums wahr, egal ob es sich um das Publikum in einem kleinen Saal oder in einem großen Stadion handelt. Die Atmosphäre ist mit Sicherheit eine andere. In großen Räumen muss man die Stimme verstärken, im Theater hingegen erreicht die Stimme die Menschen direkt, und alles ist authentischer.
Wie lautet eigentlich Ihre Berufsbezeichnung? Tenor? Bariton? Dirigent?
Ich dirigiere sehr gern. Und wenn ich jetzt singe, dann Bariton-Rollen. Seit 2009 habe ich viele davon gewagt, vor allem Verdi-Partien. Als ich mit 16 mit dem Singen begann, dachte ich, ich sei ein Bariton, dann wurde mir klar, dass ich ein Tenor bin. In meinem Tenor-Leben träumte ich davon, den Dogen Simon Boccanegra in Verdis gleichnamiger Oper zu verkörpern. Als Daniel Barenboim mich einlud, diese Bariton-Rolle in Berlin zu singen, erfüllte ich mir meinen Traum. Ich dachte, es würde die einzige Partie dieses Fachs bleiben. Aber dann fühlte ich mich stimmlich und szenisch so wohl …. Jetzt sind es schon rund 15 Bariton-Rollen, ich liebe sie sehr.
Im Dezember, zur Saison-Eröffnung an der Mailänder Scala, habe ich Sie im Publikum gesehen. Sind Sie manchmal neidisch auf Ihre Kollegen auf der Bühne? Vor allem in diesem Fall auf den Tenor, der den Alvaro singen darf?
Ich bin nur neidisch auf die Otellos. Die Rolle des Don Alvaro in „La forza del destino“ ist eine der schwierigsten für einen Tenor, und ich war sehr glücklich, mit meiner Frau und José Carreras im Publikum zu sitzen! Brian Jadge war großartig, und ich bin sehr stolz darauf, dass ein Gewinner meines Gesangswettbewerbs Operalia die Scala-Saison eröffnet hat.
Wenn Sie Ihre Karriere noch einmal starten könnten: Was würden Sie anders machen?
Ich würde es sofort und mit viel Enthusiasmus wieder tun. Und ich denke, ich würde wahrscheinlich denselben Kurs noch einmal einschlagen. Ich habe zu viele gute Erinnerungen an meine Karriere! Es gab schwierige Momente, aber so ist das Leben.
Und würden Sie gern in unserer Zeit eine Opernkarriere starten? Im aktuellen Opernsystem und in diesem Musikleben?
Ich weiß es nicht. Vielleicht gibt es heute mehr Ausbildungsmöglichkeiten und mehr prestigeträchtige Wettbewerbe, mit denen man bekannt werden kann. Aber es besteht das Risiko einer Überpräsenz in den Medien. Die kann gut, aber auch schlecht sein, weil sie Illusionen weckt. In unserer Arbeit ist es dagegen sehr wichtig, sich seiner Grenzen bewusst zu sein und diese auszuschöpfen. Meine Frau und ich haben nach den Jahren am Konservatorium in Mexiko-Stadt geheiratet und sind nach Israel gegangen, weil wir einen Vertrag an der Hebräischen Nationaloper in Tel Aviv bekommen hatten. Wir haben dort von 1962 bis 1965 jeden Tag sehr hart gearbeitet. Es waren schwierige, aber unvergessliche Jahre. Wir waren jeden Tag im Theater, haben studiert und nach der richtigen Gesangstechnik gesucht. Dadurch wird man zäher und belastbarer.
Und was werden wir von Ihnen beim Konzert in der Isarphilharmonie hören?
Es wird ein Konzert mit Oper, Zarzuela und populären Liedern aus aller Welt. Ein sehr abwechslungsreiches Programm. Die außergewöhnliche Maria José Siri ist auch zu erleben, mit der ich oft auf der Bühne stand. Ich freue mich sehr auf diese Tournee, die uns in verschiedene deutsche Städte führen wird: Köln, Berlin, Frankfurt und München. Mit dabei ist Jordi Bernàcer, mittlerweile ein international renommierter Dirigent, den ich seit seinen Anfängen in Valencia mit Lorin Maazel und Zubin Mehta musikalisch wachsen sah. Wir alle hoffen, dass das Publikum mit uns schöne Abende verbringen kann.