Auf dem Sprung zum Superstar

von Redaktion

Leonie Benesch über weibliche Hauptrollen und ihren Film „September 5“

Am 5. September 1972 drang die palästinensische Terrororganisation Schwarzer September ins Olympische Dorf ein. © Archiv

Ihre Rolle ist fiktiv, die Handlung blutiger Ernst: Leonie Benesch als deutsche Dolmetscherin Marianne Gebhardt. © Jürgen Olczyk

Mit diesem Kinofilm dürfte Leonie Benesch endgültig zum Superstar werden: In „September 5“ des Schweizer Regisseurs Tim Fehlbaum („Tides“) spielt die 2023 als „European Shooting Star“ Gefeierte nach starken Rollen in „Das weiße Band“, „Babylon Berlin“, „The Crown“, „Der Schwarm“ oder „Das Lehrerzimmer“ eine Übersetzerin. Ihre Rolle ist fiktiv. Der Rest des Spielfilms ist es vielfach nicht. Thema ist das tödlich endende Geiseldrama um die elf israelischen Sportler während der Olympischen Spiele in München. Kinostart von „September 5“ ist an diesem Donnerstag

Sie sind als Übersetzerin Marianne Gebhardt die einzige Frau im Film, oder?

Tatsächlich gibt es noch eine weitere, sehr kleine weibliche Sprechrolle namens Gladys, gespielt von Georgina Rich.

Mir hat gefallen, wie sich Marianne inmitten dieses Kosmos von dominanten Kerlen nicht nur behaupten kann, sondern sogar noch den Kaffee holen lässt. War das Ihre Idee?

Nein, das stand schon in der ersten Drehbuchfassung von Tim Fehlbaum und seinem Co-Autor Moritz Binder. Da muss ich Tim ehren. Als der 2011 für seinen ersten Film „Hell“ Fördergelder beantragte, bekam er überall zu hören: „Schön und gut, das Geld kriegst du, aber mach’ doch bitte aus der weiblichen Hauptrolle einen Mann. Das geht nicht, dass eine Frau führt.“

Tatsächlich wird die zentrale Figur aber doch von Hannah Herzsprung gespielt.

Genau. Tim hat damals schon alle diese Kämpfe ausgefochten, die später durch die #MeToo-Bewegung erst richtig groß in die Medien kamen und diskutiert wurden. Mittlerweile ist es fast undenkbar, dass ein solcher Film überhaupt finanziert wird, wenn ein Mann im Zentrum steht. Als ich das erste Mal mit Tim zoomte, sagte er: „Ich versuche wirklich alles, um noch eine weitere Frau reinzuschreiben. Aber es wird so schnell unrealistisch. Wenn ich diese Welt naturgetreu erzählen möchte, wirst du wohl die Einzige bleiben.“

Sie wurden 1991 in Hamburg geboren. Wie viel wussten Sie vor den Dreharbeiten vom Attentat?

Nur die Fakten aus dem Geschichtsunterricht. Ich wusste, was passiert war, und mir ist das Bild von dem Mann mit der Strumpfmaske auf dem Balkon des Olympischen Dorfs vertraut gewesen. Mehr aber nicht.

Wie haben Sie sich vorbereitet?

Als ich mich 2022 immer intensiver mit der Rolle befasst habe, wurde gerade der 50. Jahrestag dieses furchtbaren Ereignisses begangen. Mir wurde meine Recherche-Arbeit quasi von den Medien jeden Tag perfekt aufbereitet auf dem Silbertablett serviert. Es gibt zum Beispiel den wirklich tollen Podcast „Himmelfahrtskommando“ des Bayerischen Rundfunks. Da spricht die Journalistin Patrizia Schlosser unter anderem darüber, dass der Erstkontakt zu den Entführern über eine Polizistin hergestellt wurde. Deren Uniform bestand aus einem Minirock, warum auch immer, und sämtliche deutschen Medien sprachen und schrieben über sie als „die Hostess“. Keiner hat sie korrekt als Polizeibeamtin bezeichnet. Sie war die Einzige, zu der diese Terroristen eine Art von Vertrauen aufgebaut hatten. Aber niemand hat das genutzt.

Weil sie als Frau 1972 einfach nicht ernst genommen wurde.

Ja, sie war ja nur eine „Hostess“. Je mehr ich mich mit der Gesellschaft von damals beschäftigt habe, desto mehr war ich froh, heute zu leben.

Haben Sie mit Zeitzeugen gesprochen?

Nein. Aber ich habe mich in Berlin mit einer Dolmetscherin getroffen. Weil ich wissen wollte, was diesen Beruf ausmacht. Und damals ausgemacht hat. Tim und sein Team haben mir eine Schreibmaschine aus den Siebzigern geschickt. Das ist noch eine ganz andere Haptik. Ich finde, man sieht es, ob eine Schauspielerin das gerade zum ersten Mal macht oder ob sie Routine in den Bewegungen hat. Solche Dinge sind mir wichtig. Ansonsten waren Tim und ich uns einig, dass ich in dieses Studio ein bisschen so reingeworfen werden soll, wie es Marianne im Film erfährt.

Und wie lief’s mit den Kollegen im Container?

Wir haben in den Bavaria Film Studios gedreht. Dort haben Production Designer Julian Wagner und sein Team das ABC Studio von damals nachgebaut. Das war einerseits schön, ich mag es grundsätzlich gerne, wenn der Drehort immer derselbe ist und man sich nicht ständig auf neue Sachen einstellen muss und in Ruhe seiner Arbeit nachgehen kann. Andererseits war das natürlich auch der anstrengendste Aspekt. So viele Menschen auf extrem engen Raum. Zusätzlich zu allen Darstellern waren da natürlich noch unsere Crew und unsere Kameraleute drin. Das heißt, es war wirklich eng, es hat gestunken und war verraucht. Aber es war dank der fantastischen Kollegen auch gut zu überstehen.

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