Die Ikone der normalen Leute

von Redaktion

Fußball, Feiern und eine große Soul-Stimme: Rod Stewart wird 80 Jahre alt

Mit Elton John 1973 im Ausklingbecken. © Getty Images

Nicht zu stoppen: 1999 bei einem Benefiz-Spiel. © Dpa

Rod schüttet sein Herz aus: Superstar Stewart singt „Sailing“ 1976 bei einem Konzert in Oslo. © Oddvar Walle Jensen / epd

Mit Gattin Penny Lancaster und im Kilt 2004. © Reuters

Wie bin ich in diesen Anzug gekommen? Rod Stewart wirkt bisweilen, als könne er seinen Erfolg immer noch nicht fassen. Wie dem auch sei: He wears it well. © Universal Music

Eines von Rod Stewarts vielen Talenten ist, dreinzuschauen, als könnte er immer noch nicht glauben, wie ihm das alles passiert ist. All die Hits, all die Blondinen, all das Geld. Als sei er ein Bub, der in einem nicht enden wollenden Traum festhängt. An diesem Freitag wird dieser Bub 80 Jahre alt.

Stewart hat sich seit 30 Jahren weg vom Rockstar hin zu einer Art Allzweck-Entertainer entwickelt, was einen tendenziell dazu verleitet, die Fähigkeiten zu unterschätzen, die diesen Mann dorthin gebracht haben, wo er ist. Die wichtigste: Rod Stewart ist einer der besten Sänger des Pop-Zeitalters, womöglich der großartigste weiße Soulsänger überhaupt.

Wie sein großes Vorbild Sam Cooke kann er sich Songs komplett zu eigen machen. Wie Cooke singt er etwas über seinem eigentlichen Register, was seinem rauen Organ eine dringliche Sehnsucht verleiht. Er klingt nicht aggressiv oder machohaft, seine Stimme verströmt Wahrhaftigkeit, und vielleicht ist das der Grund, warum er so viele Songs auch anderer Künstler mühelos zu Hits machen konnte. Bis heute hat er etwa 250 Millionen Tonträger verkauft.

Geboren wurde Roderick David Stewart am 10. Januar 1945 in Highgate, einem Viertel im Norden von London. Stewart wuchs mit vier Geschwistern auf, der Vater stammte aus Schottland und pflanzte ihm die Begeisterung für Fußball ein – mit 15 Jahren bekam er von ihm auch die erste Gitarre. Gesegnet mit zwei Begabungen, probierte Rod zunächst beide aus. „Singen oder Fußball spielen, diese Entscheidung überließ ich den Göttern“, sagte er später in einem Interview. Nachdem ein Testspiel beim FC Brentford jedoch nicht die gewünschte Karriere gestartet hatte, waren die Würfel gefallen. „Rod the Mod“, wie er wegen seiner stacheligen Gockel-Frisur genannt wurde, machte sich in den Sechzigern einen Namen – und wurde als Sänger der Jeff Beck Group und dann der Faces zur britischen Ikone.

Eine Ikone der normalen Leute wohlgemerkt. Denn mochte er auch rüberkommen wie eine Mischung aus Dickens-Figur und Außerirdischer, er sang kein überkandideltes Zeug. Sein Durchbruchs-Hit „Maggie May“ handelt 1971 von einer Affäre einer Lehrerin mit ihrem Schüler. Als erster Rocker spiegelte er zumindest den männlichen Fans deren eigene Vorlieben: Fußball und feuchtfröhliche Feiern. Zusammen mit den fulminianten Faces, zu denen damals auch noch Gitarrist Ronnie Wood gehörte, spielte er nicht nur acht Klassiker-Alben ein (die Band wirkte auch auf seinen Solo-Platten mit) – er machte mit ihnen die Kneipen unsicher.

Doch irgendwann wurde das Spielfeld diesem ehrgeizigen jungen Mann zu klein. Die Faces, die sich zu Begleitern degradiert sahen, lösten sich auf, und Stewart verlegte seine Solo-Karriere in die USA. Trug Pailletten-Anzüge oder Leopardenmuster und feierte mit Disco-Hits wie „Da ya think I‘m sexy?“ Erfolge. Seit den Achtzigern halten sich die kreativen Kraftanstrengungen in Grenzen. In späteren Jahren schrieb Stewart kaum noch eigene Songs, sang Jazz- und Soul-Klassiker aus dem „Great American Songbook“.

Die Kritiker verübelten ihm das weit mehr als die Fans, die ihn nicht nur für „Sailing“, „Rhythm of my Heart“ und „You wear it well“ feiern, sondern auch dafür, dass er immer noch ein Fan von Celtic Glasgow ist und auf seinem Anwesen längst einen eigenen Fußballplatz besitzt. Trotz all der Sportwagen und Models, und auch wenn er sich seit seiner Adelung 2016 durch Queen Elizabeth II. Sir Rod nennen darf: Er ist und bleibt, so scheint’s, einer von ihnen.

Stewart hat acht Kinder von fünf Frauen und dreimal geheiratet. 2000 musste er sich wegen einer Schilddrüsenkrebserkrankung operieren lassen und danach das Singen neu lernen – ein Kämpfer ist er also allemal. Mit seinem Rockstar-Leben scheint er auch im hohen Alter noch rundum zufrieden zu sein. „Ich bin fit, habe volles Haar und kann 100 Meter in 18 Sekunden rennen“, schrieb der Sänger im November auf Instagram. Nach der „One More Time“-Tour und einem Auftritt beim legendären Glastonbury-Festival im kommenden Sommer wolle er mit den großen Welttourneen aber langsam Schluss machen, fügte er hinzu. Kleinere Konzerte will er allerdings auch mit 80 noch spielen. So gastiert er 2025 noch mal in Bremen und Dortmund. „Ich habe nicht den Wunsch, mich zur Ruhe zu setzen. Ich liebe, was ich tue, und tue, was ich liebe.“
JOHANNES LÖHR

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