Meditieren mit Debussy

von Redaktion

Nicolas Namoradze über sein ausgefallenes Konzert-Konzept

Der Pianist und Neuropsychologe Nicolas Namoradze gastiert am 19. Januar im Prinzregententheater. © Nathan Elson

Musiker werden in Interviews gern mal gefragt, welchen Beruf sie ergriffen hätten, falls es mit der Musik nichts geworden wäre. Nicolas Namoradze muss sich mit solchen Gedankenspielen zum Glück nicht groß auseinandersetzen. Denn der gelernte Pianist und studierte Neuropsychologe hat es geschafft, seine beiden Leidenschaften miteinander zu verknüpfen. Mit sogenannten „Mindful Recitals“, in denen er den Musikgenuss des Publikums mit Meditationen und Konzentrationsübungen steigern will. Nach einem ersten Testlauf im vergangenen Sommer gibt es nun am 19. Januar im Prinzregententheater eine Zugabe.

Woher kam die Idee zu dieser „Schule des achtsamen Zuhörens“?

Das Konzept ist während der Pandemie entstanden, als ich für den Streamingdienst Idagio eine „Mindful Listening App“ mitentwickelt habe. Die Frage für uns war dabei, wie man Musik besser hören und verstehen kann. Und da ging es uns nicht nur um Vermittlung von Musiktheorie oder -geschichte. Sondern vor allem darum, wie man die Konzentration und die Wahrnehmung schärfen kann.

Nimmt man Musik im Konzert nicht sowieso immer anders wahr, weil man dort auch mit den Augen hört?

Es ist nicht unbedingt nötig, mit geschlossenen Augen zuzuhören, um konzentrierter zu sein. Aber es ist für mich trotzdem intimer. Denn wenn wir nicht sehen, hören wir besser. Und wenn ich unterrichte, empfehle ich deshalb oft auch, hin und wieder mit geschlossenen Augen zu üben.

Musik ist heute allgegenwärtig und auf unterschiedlichen Kanälen zugänglich. Ist das für Sie eher Fluch oder Segen?

Das Problem ist, dass wir oft abgelenkt sind, wenn wir Musik hören. Im Alltag sowieso, aber eben auch im Konzert, wenn wir plötzlich darüber nachdenken, was wir zum Frühstück gegessen haben oder was für morgen planen. Dabei wäre es doch eigentlich viel schöner, den Moment zu erleben.

Also sinkt die Aufmerksamkeitsspanne nicht nur bei der Jugend, der man dies in erster Linie vorwirft?

Wahrscheinlich war es früher tatsächlich einfacher fürs Publikum. Aber neben Konzentrationsschwierigkeiten wird heute zum Glück auch mehr über mentale Gesundheit diskutiert. Das sind wichtige Themen unserer Zeit. Umso schöner war es, als beim Klavierfestival Ruhr eine Zuhörerin meinte, sie hätte noch nie ein Konzert erlebt, bei dem das Publikum so ruhig war.

Es gibt bereits jetzt viele Musikerinnen und Musiker, die mit Mental-Trainern arbeiten. Mit Ihrem Doppelstudium scheinen Sie quasi prädestiniert dafür.

Ich unterrichte Klavier und Kammermusik an der Juiliard School in New York. Aber es gibt auch spezielle Programme für mentales Training. Da sind viele Überschneidungen mit dem, was ich in diesem Konzertformat mache. Die Neurowissenschaften haben mich immer interessiert. Das menschliche Bewusstsein ist und bleibt das größte Rätsel. Die Zusammenhänge mit der Musik haben sich dabei ganz natürlich entwickelt.

Sie haben das Konzept im Sommer 2024 schon einmal in der Isarphilharmonie erprobt. Wie ließ sich das Publikum darauf ein?

Gemeinsam zu meditieren und in einem Raum wie der Isarphilharmonie einen Moment der Stille zu erleben, war eine unglaublich spannende Erfahrung. Weil selbst ein so riesiger Saal dadurch auf einmal viel kleiner wird. Wobei auch die hervorragende Akustik geholfen hat.

Hätten Sie mit dem Erfolg dieses Formats überhaupt gerechnet?

Natürlich wurde das Konzept im Laufe der Zeit verfeinert. Am Anfang dachte ich, es wäre vor allem etwas für alternative Veranstalter oder spezielle Situationen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass es fast schon Mainstream werden könnte und wir damit in Säle wie das Konzerthaus Dortmund oder die Isarphilharmonie gehen. Aber es gibt tatsächlich einen Hunger nach solchen Erfahrungen. Wobei ich keineswegs nur Musik zum Entspannen spiele. Eigentlich sind es meist sogar eher komplizierte Werke.

Was erwartet das Publikum kommende Woche im Prinzregententheater?

In München wird es Musik von Debussy und Beethoven geben. Es wir also nicht einfach nur meditiert, und dann kommt Beethovens Hammerklaviersonate. Das Konzept richtet sich immer nach den Werken. Wenn wir zum Beispiel ein Stück mit Klangschichten haben wie in einer Fuge, dann mache ich davor Hörübungen. Und manchmal verzichten wir auf Applaus zwischen den Stücken, um die Stille bewusst zu genießen.

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