NEUERSCHEINUNG

Bibliothekar des Teufels

von Redaktion

„Endstation Hoffnung“ entwürdigt die Shoah

Eine hartgesottene Geschichte hat sich Andrea Frediani (62) mit seinem Roman ausgedacht. © Verlag

1944: Isaia Maylaender ist ein ungarischer Geschichtsprofessor an der Universität im italienischen Fiume und auch in Budapest, wo er als Jude aufgrund der Rassengesetze seinen Lehrstuhl verlor. Zur Goldenen Hochzeit der Eltern reist er nach Hause zu ihnen und gerät dort in die Deportations- und Vernichtungsmaschinerie der Nazis.

Andrea Frediani (62) hat sich mit seinem Roman „Il Biblioteka di Auschwitz“ (deutscher Titel: „Endstation Hoffnung“) eine hartgesottene Geschichte ausgedacht. Er schickt den Professor wirkungsvoll und radikal durch die Hölle, lässt ihn am IG Farben-Gas, den Verbrennungsöfen, der Restknochenselektion vorbeischrammen, um bei nächstbester Gelegenheit zum passiven, indirekten Mittäter zu avancieren. So steigt er auf als Günstling im Dienst des schöngeistigen Hauptsturmführers Hillgruber, dessen Frau er erzwungene Liebesdienste zu erweisen hat. Das alles, um in Auschwitz eine Bibliothek zu errichten, damit die abgebrühten SS-Schergen durch Literatur gebessert würden.

Der Historiker in Häftlingskleidung als Bibliothekar des Teufels, darüber hinaus als Lehrer, der mit Hillgrubers Sohn die Nibelungensage liest, schließlich noch als Verfasser der Reinwaschungs-Memoiren seines SS-Gönners. Und das, wie er trotz moralischer Skrupel sein Tun vor sich selbst rechtfertigt, um eines Tages Zeugnis abzulegen über das absolute Grauen. Heimlich riskiert er es aufzuschreiben, was er in Auschwitz Tag für Tag erlebt. Eine Dokumentation, gerichtet an die Nachwelt.

Dass das Buch so manchen sachlichen Fehler enthält, könnte der Übersetzung geschuldet sein. Dass Fredianis erdachte Story am Ende nicht logisch aufgeht, mag bedauerlich sein. Dass „Endstation Hoffnung“ den anmaßenden Untertitel „Der ultimative Roman über den Holocaust“ trägt, ist vermutlich der dümmlichen Arroganz des Verlags geschuldet.

Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau wurde am 27. Januar 1945 von der Roten Armee befreit. Zwischen 1940 und 1945 wurden hier anderthalb Millionen Menschen ermordet. Dieser 27. Januar wird heute als „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ begangen.

Also kommt Andrea Fredianis fiktiver Roman gerade recht? Nein, weil bei der Lektüre der Eindruck entsteht, dass der gewiefte Autor den Holocaust-Schauplatz missbraucht als Grund und Boden seines Horror-Romans, eingehüllt in Schrecken und Moral. Eine Kolportage aus Entsetzen und Kitsch.
SABINE DULTZ

Andrea Frediani:

„Endstation Hoffnung“. Aus dem Italienischen von Sandra Hubmann. Salon Literatur Verlag, München, 409 Seiten; 25 Euro.

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