Als „verrückte Tante“ berlinert sich Chantall durch die Show, wirft aber zwischendurch auch mal mit Messern. © Linus Reuer
Peter Frankenfeld lebt. Zumindest die karierten Sakkos des legendären TV-Unterhalters gibt es noch. Und der Mann am Klavier braucht dringend ein Bier. „Surprise“, das neue Programm des Münchner GOP-Varietés, nimmt das Publikum mit auf eine Zeitreise in die deutsche Unterhaltungsgeschichte. Vieles erinnert an die Fünfzigerjahre – auch der Mut zu überschaubar komplexen Gags. Wer Retro mag, hat an der Revue in Technicolor viel Spaß und süffelt dazu am besten ein zeitgenössisches Stamperl Eierlikör.
Im Mittelpunkt stehen die beiden Conférenciers. Die rede- und sangesfreudige Chantall berlinert sich als „verrückte Tante“ durch die Show. Sie parliert ganz offen über den Kampf ihres Körpers gegen die Schwerkräfte. Da trifft es sich gut, wenn man sich mit einem „Hintern to go“ aus Silikon und Schaumstoff wieder Richtung Kim Kardashian trimmen kann. Markus Schimpp aus Augsburg sitzt auch mal in Netzstrümpfen am Klavier beziehungsweise am „Geflügel“. Er hält Plüsch-Pianist Liberace in Ehren und lässt sich von Chantall bei einer Zaubernummer mit Messern durchlöchern. Schimpp überlebt aber gottlob und gesteht humorig, dass sein „Sechs-Appeal“ überschaubar ist: „Ich bin ein Fünf-Appeal, ein Vier-Appeal, ein Drei-Appeal.“
Bevor’s mit Herren- und Damenwitzen allzu zopfig wird, sorgen die exzellenten Artistinnen und Artisten mit sehr modernen Nummern für Kontrast. Iryna Hladka aus der Ukraine besteht ihre Reifen-Prüfung mit Bravour. Wie ihr die Hula-Hoops gehorchen, ist faszinierend. Der glitzernde Marco Noury aus NRW lässt zur Musik von Hilde Knef an den Strapaten die Rosen regnen.
Das Duo Up ’n’ Down mit Dimitri Terribilini aus der Schweiz und Laurine Dumora aus Frankreich saust atemberaubend synchron über den chinesischen Mast. Sie liefern zu einem Remix von Camille Saint-Saëns die beste Nummer des Abends. Knut Gminder, Regisseur des Programms, wäre hochzufrieden mit seinem Ensemble gewesen. Der Varieté-Großmeister ist im Dezember mit nur 58 Jahren unerwartet verstorben. Mit „Surprise“ beweist er noch einmal, wie überraschend und vielfältig das schillernde Genre sein kann.
JÖRG HEINRICH
Vorstellungen
bis 9. März, Tickets und Termine unter www.variete.de oder Telefon 089/ 210 28 84 44.