Bach am Bar-Piano

von Redaktion

Hayato Sumino im Prinzregententheater

Seine Videos erzielen Millionen Klicks: Hayato Sumino balanciert zwischen Klassikern und Eigenkompositionen. © Ryuya Amao

Ein so buntes und vor allem mit so vielen jungen Gesichtern durchmischtes Publikum dürfte man im Prinzregententheater lange nicht mehr bei einem Klavierabend gesehen haben. Doch so kann es eben gehen, wenn ein junger Pianist nicht nur beim renommierten Chopin-Wettbewerb aufzeigt, sondern gleichzeitig auch in den Sozialen Netzwerken eine globale Fangemeinde aufbaut. Und das Programm, mit dem sich Hayato Sumino in München vorstellte, war nun ähnlich eklektisch wie sein Youtube-Kanal unter dem Gamer-Namen „Cateen“ (wir berichteten).

Auch live balanciert der Japaner gekonnt zwischen den Klassikern des Klavier-Repertoires und eigenen Kompositionen. Mal inspiriert von Chopin, den er in sanfte Hollywood-Harmonien kleidet. Mal jazzig aufgekratzt wie in seinem „Human Universe“, in dem er über Bachs „Goldberg-Variationen“ improvisiert. Ein Experiment, das vor allem deshalb funktioniert, weil es nie unnötig verkünstelt, sondern stets ehrlich empfunden daherkommt.

Beim originalen Bach könnten sich die Geister freilich scheiden. Wo andere Kollegen dazu neigen, dessen Musik grundsätzlich zum Gottesdienst zu erklären, verortet Hayato Sumino die Partita Nr. 2 klar im Konzertsaal. Mit beiden Beinen auf dem Boden und zügig nach vorn drängend. Dass er zur Sarabande auch noch den Steinway rechts liegen lässt und auf ein daneben platziertes Bar-Piano wechselt, dürfte einige im Saal dann doch kalt erwischt haben.

Ein Stunt, den er bei Ravels „Boléro“ wiederholt, wobei er damit ebenfalls von den unterschiedlichen klanglichen Texturen der Instrumente profitiert. Hayato Suminos Fingerfertigkeit lässt beinahe vergessen, dass dieses Stück ursprünglich für großes Orchester konzipiert war. Spätestens hier lässt sich „Cateen“ nicht mehr zum nächsten Crossover-Pianisten abstempeln. Das ist eher ein sympathischer Querkopf mit breit gefächertem Musikgeschmack, der bei seiner technisch brillanten Darbietung von Skrjabins Sonate op. 53 ebenso den Atem stocken lässt wie mit einer swingenden Gershwin-Zugabe.
TOBIAS HELL

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