Fröhliche Nabelschau: Jan Böhmermann selbst ist das zentrale Thema der Show. © Hangen
Wer sich all den Zinnober in der ausverkauften Münchner Olympiahalle ausgedacht hat, steht von Beginn an außer Zweifel. „BÖHMERMANN IST SCHULD!“, prangt bildzeitungsbuchstabengroß auf dem Bühnenvorhang. Wäre aber gar nicht nötig gewesen. Denn beim Auftritt am Freitagabend von Jan Böhmermann und dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld ist Jan Böhmermann das zentrale Thema. Einen Mangel an Zuneigung zu sich selbst lässt sich der böse Bube vom ZDF nicht vorwerfen. Und so wird die Show zu einem Mix aus Politrevue, Böhmermann‘scher Nabelschau und herausragender Musik.
Die Stars des Abends sind die 17 buntschillernden Musikerinnen und Musiker von Böhmermanns Hauskapelle RTO. Die Ehrenfelder unter Lorenz Rhode, dem James Last 2.0, liefern einen mitreißenden, modernen und spacigen Big-Band-Sound. Wenn sie mit Bläsern und Streichern Madonnas Hit „Vogue“ neu erfinden, wird die einstige Queen of Pop neidisch. Und sie bringen sogar Lokalpolitik ins Spiel – mit der Rosenheimer Straßen-Samba „Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf?“
Jan Böhmermann hat Richtiges und Wichtiges zu sagen. Er zürnt gleich zu Beginn: „Faschismus is back“. Er ätzt über in der Schweiz residierende „DemokratieAnzünderinnen“. Und als er im Tütü Helene-Fischer-artig Richtung Hallendecke schwebt und von dort scheinbar ungebremst auf die Bühne stürzt, ist das eine ziemlich coole Nummer.
Doch im Laufe des Abends stellt Böhmermann immer mehr Böhmermann in den Mittelpunkt. Statt brennender aktueller Themen feiert er noch einmal Bahn-Gewerkschafter Claus Weselsky – der doch schon längst nicht mehr im Amt ist. Auch der Klassiker „Ich hab Polizei“ und das Eurovision-Song-Contest-Trauma „Allemagne Zero Points“ sind inzwischen reichlich angestaubt.
Böhmi muss achtgeben, dass er in Sachen Wurschtigkeit nicht Stefan Raab Konkurrenz macht. Gut, dass das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld so viel mehr drauf hat als Raabs Heavytones.
JÖRG HEINRICH