Wirft sich in die Rolle: Rolando Villazón. © Werner Kmetitsch
Am Anfang war Orpheus. Denn welcher Stoff hätte sich in der Geburtsstunde der Oper wohl besser angeboten als der Mythos jenes Sängers, der aus Liebe ins Totenreich hinabsteigt und mit seiner Stimme selbst die Götter rührt. Claudio Monteverdis Vertonung zählt zu den ältesten heute noch gespielten Opern. Und auch Publikumsliebling Rolando Villazón hat im tragischen „L’Orfeo“ eine neue Herzensrolle gefunden. Zuletzt feierte er damit 2023 in der Semperoper Erfolge. Weshalb es sich natürlich anbot, die fantasievolle Dresdner Inszenierung von Nikolaus Habjan nun gleich für die von Villazón geleitete Salzburger Mozartwoche zu übernehmen.
Habjans Bühnenmagie kann man sich auch in der neu aufpolierten Fassung nur schwer entziehen. Und wie so oft bei ihm sind es wieder die ganz einfachen Theatereffekte, mit denen er die Fantasie beflügelt. Wenn etwa Bühnenbildner Jakob Brossmann den Olivenbaum in der Mitte der Spielfläche nach Eurydikes Tod vor den Augen des Publikums welken lässt.
Tragendes Element sind daneben erneut eine Reihe von Puppen, die sich gerade für die übernatürlichen Erscheinungen anbieten. Aber auch das zentrale Paar ist in vielen Szenen gleich doppelt zu sehen, wenn Vilazón und Tamara Ivaniš ihre stummen Alter Egos gemeinsam mit einem Puppenspieler-Quartett führen. Besonders eindringlich gelingt dies beim Aufstieg aus der Unterwelt, als Orpheus mit sich selbst ringt, ob er den verbotenen Blick wagen soll.
Wie von ihm nicht anders erwartet, wirft sich der singende Intendant hier mit Haut und Haaren in seine Aufgabe und weiß sich meist klug durch die vokalen Klippen der Partie zu manövrieren. Und zum Glück ist das Ensemble um ihn herum bewusst leicht, in manchen Rollen vielleicht etwas zu leicht besetzt. Überzeugen können da vor allem Cyril Auvity als Apollo und Eric Jurenas als Speranza.
Das Ereignis des Abends findet im Graben statt, wo Christina Pluhar mit ihrem Ensemble L’Arpeggiata waltet. Sie liefert eine tief poetische Lesart, die trotzdem über den nötigen Biss für die dramatischen Momente verfügt. Wodurch der mehr als 400 Jahre alte Notentext so frisch und mitreißend daherkommt, als würde er gerade aus dem Moment heraus entstehen. Ein starkes Plädoyer für die Kraft der Musik.
TOBIAS HELL