Leiden vorausgeahnt

von Redaktion

Der „Messias“ in der Isarphilharmonie

Der Namenspatron schwingt beim Münchner Bach-Chor immer latent im Hinterkopf mit. Das gehört einfach zur Identität des traditionsreichen Ensembles und war nun auch deutlich zu spüren, als man in der Isarphilharmonie den „Messias“ zur Aufführung brachte. Denn obwohl Georg Friedrich Händel in seinem populären Oratorium das Leiden Christi bewusst durch den Jubel der Verkündigung und das Wunder der Auferstehung ausbalancierte, schien Dirigentin Johanna Soller die Passionsgeschichte schon im ersten Teil vorauszuahnen. Und so war es zunächst noch ein eher zurückhaltendes Jauchzen des Chores, das erst beim „For unto us a Child is born“ seine volle Wucht entfalten durfte.

Eher leicht besetzt war folgerichtig auch das Solisten-Quartett, aus dem Krystian Adam herausstach, der mit biegsamem Tenor bereits in seiner ersten Arie die Messlatte hoch legte. In ähnlichen Sphären durfte man aber ebenso Carine Tinney verorten, die mit klarem, instrumental geführtem Sopran gefiel. Während Grace Durham und Peter Harvey in den tieferen Lagen solide Leistung brachten, aber insgesamt doch eher unauffällig blieben.

Das transparente Klangbild, auf das Soller ihren Chor und das stilistisch nicht minder sauber agierende Bach-Orchester getrimmt hatte, stand dieser Interpretation durchaus gut zu Gesicht. Da wurde selbst das vertraute „Hallelujah“ nicht nur als donnernde Bravournummer abgefeiert, sondern vom Chor differenziert angegangen und wirkungsvoll gesteigert. Und so war auch schnell wieder vergessen, dass sich die Dirigentin mit ihren breiten Tempi und ausgereizten Generalpausen hin und wieder doch ein wenig verkünstelt hatte. Für leichte Irritation sorgte vor allem die Pause, die mitten im zweiten Teil gesetzt wurde und den Chor „Lift up your heads“ etwas in der Luft hängen ließ. Wobei der Faden danach zum Glück schnell wieder aufgenommen wurde.
TOBIAS HELL

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