Große Kammermusik

von Redaktion

Pianist Kirill Gerstein im Herkulessaal

Am Ende geht doch ein enttäuschtes Raunen durch den Münchner Herkulessaal. Und tatsächlich war es unendlich schade, dass Kirill Gerstein sich diesmal trotz anhaltendem Jubel einfach nicht zu einer Zugabe erweichen lassen wollte und irgendwann nur dankbar lächelnd den Flügel zuklappte. Aber mal ganz ehrlich gefragt, was hätte auf seine geradezu exemplarische Wiedergabe des ersten Brahms-Konzerts überhaupt noch folgen können? Auf 45 gemeinsam intensiv durchlebte Minuten, in denen der Pianist das populäre Werk mit analytischem Blick entstaubte, ohne dabei belehrend den Zeigefinger zu heben.

Schon beim ersten Einsatz schien Gerstein hier den Schlussakkord fest im Blick zu haben und spannte so einen großen emotionalen Bogen, dessen Spannung zu keiner Sekunde abflachte.

Dass die Chemie mit dem BR-Symphonieorchester stimmt, war schon in Gersteins Saison als „Artist in Residence“ zu spüren gewesen, als er in unterschiedlichen Konstellationen mit den Münchnern musiziert hatte. Und so war auch das, was jetzt zu erleben war, quasi Kammermusik im großen Format. Ein freundschaftliches Geben und Nehmen, bei dem sich der Pianist immer wieder dankbar Impulse aus dem Orchester holte.

Perfekt wurde dieses Glück durch Iván Fischer am Pult, der hier die künstlerische Freundschaft zweier Komponisten feierte. Nachdem Dvoráks suggestiv gestaltete „Legende in b-Moll“ den Boden für das gewichtige Klavierkonzert bereitet hatte, durfte auch Brahms nach der Pause noch einmal kurz mit dem Ungarischen Tanz Nr. 11 nachklingen: In einer vom Dirigenten selbst arrangierten Orchesterfassung, die ihrerseits einen stimmigen Prolog zu Dvoráks Symphonie Nr. 8 bildete. Ein Werk, dessen volkstümliche Anleihen Fischer nie zum reinen Lokalkolorit degradierte, sondern den daraus entwickelten Motiven stets die nötige Aufmerksamkeit schenkte.

Wobei der Dirigent nicht nur die Partitur ernst nahm, sondern ebenso die Musikerinnen und Musiker des BR, die diesen Respekt erwiderten und sich für ihn von ihrer besten Seite zeigten.
TOBIAS HELL

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