Auf einem Auge blind: Schriftsteller Salman Rushdie. © dpa
Bei einer Veranstaltung in den USA wurde Salman Rushdie am 12. August 2022 niedergestochen. © Joshua Goodman /dpa
Umstritten: Rushdie präsentiert 1988 sein Buch. © Keystone
Der Angeklagte Hadi Matar neben seinem Pflichtverteidiger Nathaniel Barone (li., stehend) vor Gericht. © Adrian Kraus / dpa
Wie man sich fühlt, wenn man 34 Jahre lang mit dem Tod bedroht wird und der Albtraum dann urplötzlich tatsächlich wahr wird, darüber hat Salman Rushdie (77) vor knapp einem Jahr ein Buch herausgebracht. „Knife“ heißt es, benannt nach dem Messer, mit dem Hadi Matar im Sommer 2022 auf ihn einstach. Jetzt hat im US-Bundesstaat New York der Prozess gegen den heute 27-jährigen Attäntäter begonnen. Matar hatte in Chautauqua im Bundesstaat New York am 12. August 2022 mindestens zehnmal auf Rushdie eingestochen. Der Autor erlitt schwere Verletzungen im Gesicht, am Hals und am Unterleib und ist seit dem Angriff auf einem Auge blind.
Matar, ein US-Bürger mit libanesischen Wurzeln, ist wegen versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung angeklagt. Einen Deal ab, der eine Strafe von 25 Jahren hätte bedeuten können, hat er abgelehnt. Er war zudem von einem Bundesgericht des Terrorismus angeklagt worden. Matar habe mit dem Mordversuch „einen terroristischen Akt im Namen der Hisbollah“ begangen, erklärte das US-Justizministerium im Juli vergangenen Jahres.
Denn der Attentäter setzte um, wozu ihn islamistische Extremisten angestiftet hatten. Schon kurz nach der Veröffentlichung von Rushdies „Die satanischen Verse“ 1988 hatte sich in der muslimischen Welt ein Sturm der Entrüstung erhoben. Viele Gläubige fühlten sich durch satirische Textstellen über den Propheten Mohammed verletzt. Der iranische Revolutionsführer Ayatollah Chomeini veröffentlichte 1989 eine Fatwa, in der er Rushdie zum Tode verurteilte. Seitdem lebte der Autor in ständiger Angst vor einem Angriff, wurde immer wieder Opfer von Drohungen. Der US-Bundespolizei FBI zufolge unterstützte die libanesische Hisbollah die Fatwa.
In Indien zumindest scheint sich die Haltung gegenüber dem Skandal-Werk zu ändern – wenn auch eher widerwillig. Ein Gericht hat dort das jahrzehntelange Importverbot für „Die satanischen Verse“ für unwirksam erklärt. Der Hohe Gerichtshof von Delhi kam zu dem Schluss, eine amtliche Mitteilung über das Verbot von 1988 sei nicht mehr auffindbar, wie die Zeitung „The Hindu“ und andere indische Medien berichteten. „Wir haben keine andere Wahl, als anzunehmen, dass eine solche Bekanntmachung nicht existiert“, wurden die Richter zitiert. Rushdies Buch war vor 36 Jahren auf Antrag mehrerer fundamentalistischer islamischer Organisationen und Parteien in Indien verboten worden. Der Inhalt sei „verletzlich“, hatte es damals geheißen. Die damalige Regierung hatte öffentliche Unruhe befürchtet, falls das Buch des in Indien geborenen, heute 77-jährigen Autors auf den Markt käme.
Gegen das Verbot hatte 2019 ein Leser in Indien Klage eingereicht. Der Kläger Sandipan Khan ist nach dem jetzigen Gerichtsbeschluss berechtigt, sich das Buch zu beschaffen. Dazu könne er alles unternehmen, was ihm das Gesetz erlaube, erklärten die Richter. Unklar war zunächst, ob die jetzige Regierung das Importverbot erneuern kann.
Wie lange der Furor um das Buch anhält, sieht man an Attentäter Matar, der noch lange nicht geboren war, als Chomeini die Fatwa aussprach. Den Prozess gegen den 27-Jährigen begann das Gericht des Bezirks Chautauqua am Dienstag mit der Auswahl der Geschworenen. Wenn diese abgeschlossen ist, fängt das Verfahren mit den Eingangsplädoyers inhaltlich an. Rushdie hat versucht, den Vorfall in dem Buch „Knife: Gedanken nach einem Mordversuch“ zu verarbeiten. Er will in dem Prozess aussagen.
LÖ, DPA, KNA