Pete Doherty galt als Enfant terrible des Indie-Rock. © dpa
Wo steckt Pete? Als um kurz nach halb zehn die ersten Takte von „The Delaney“ erklingen, schauen sich einige Fans in den hinteren Reihen suchend um. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte der Libertines, dass Pete Doherty es gar nicht erst auf die Bühne geschafft hätte. Oder in einem völlig derangierten Zustand aufgetaucht wäre. An diesem Samstagabend sind alle Sorgen unbegründet: Doherty, schwarzer Anzug und Schiebermütze, sitzt am linken Bühnenrand und lebt seinen Drang nach Anarchie dadurch aus, dass er exzessiv auf seinem gepolsterten Drehstuhl fläzt.
Er sei heute beim Doktor gewesen, erklärt sich der 45-Jährige sechs Lieder später, nach den letzten Takten von „The good old Days“, auf die ihm eigene, leicht vernuschelte Weise. Jürgen oder Jörg habe der geheißen, er wisse es nicht mehr, egal, jedenfalls solle er sich schonen.
Und weil es ihm nicht ergehen darf wie dem Protagonisten in „Baron’s Claw“, der seine Hand verliert, höre er auf den Doktor, sagt der Sänger, humpelt ein paar Schritte und lässt sich wieder in seinen gepolsterten Stuhl plumpsen. Pete Doherty, die Stimme der Vernunft?
In jedem Fall eine der beiden Stimmen der Libertines, die neben Doherty aus seinem Gegenpart Carl Barât, Bassist John Hassall und Schlagzeuger Gary Powell bestehen. Die vier Herren spendieren den Fans in der ausverkauften Tonhalle einen Abend zwischen Nostalgie und Euphorie, mit viel Gitarrengeschrammel und wunderbar melodiösen Stücken. Mit Harmoniegesang und Liedern, denen man die Verbundenheit zum Punk anhört. 2024 ist nach neun Jahren Pause das Album „All Quiet on the Eastern Esplanade“ erschienen, dessen Lieder sich perfekt einfügen zwischen alte Fan-Lieblinge wie „What Katie did“ oder „Can’t stand me now“.
Und während Pete Doherty es sich bequem gemacht hat, muss sich Carl Barât bei diesem Auftritt in München etwas mehr reinhängen. Er dreht Doherty in seinem Stuhl und kniet schließlich neben ihm, um gemeinsam ins Mikro zu singen. 17 Lieder und satte sechs Zugaben spielen die Libertines, bevor der Abend mit „Don’t look back into the Sun“ und einer Menge Jubel zu Ende geht.
KATHRIN BRACK