So klingt‘s beim Zocken

von Redaktion

Das Münchner Rundfunkorchester lockte mit Videogame-Musik ins Prinzregententheater

Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss sich der Berg vielleicht auch mal auf den Propheten zubewegen. Dies ist keine neue Weisheit, aber eine, die man sich bei den großen Orchestern gern zu Herzen nehmen darf. Denn während oft über die zunehmende Überalterung des Klassik-Publikums lamentiert wird, konnte man dieses pessimistische Weltbild beim Mittwochskonzert des Rundfunkorchesters nun tatsächlich ein wenig revidieren. So viele junge Gesichter gab es im Prinzregententheater außerhalb der speziellen Kinder- und Jugendkonzerte nämlich selten.

Der Grund dafür war nach einem Blick auf den Programmzettel schnell gefunden. Wagte sich das Orchester doch mit einem „Best-of“ der aktuellen Videogame-Musik mutig in digitale Welten. Ein echtes Erlebnis für passionierte Gamer, die pathosgeschwängerten Themen ihrer Helden und Heldinnen einmal live zu hören und sich von den wuchtigen Bläserfanfaren in den Sitz drücken zu lassen.

Und für Unwissende aus den älteren Semestern gab es zum Glück auch kleine humorvolle Einführungen in die Abenteuer von Lara Croft und Co. Eine bunte Mischung aus den Ethno-Klängen von „Rise of the Ronin“ oder „Prince of Persia“, bis hin zu Julian Crowhursts Gänsehaut-Musik zum Gruselspaß „Perennial Order“ – schwungvoll serviert von James Aaron Hardwick am Pult.

Und weil zu Video-Spielen auch eine interaktive Komponente gehört, lag die Entscheidung über die Zugabe bei der Gaming-Community. Die konnte dem Konzert live im Twitch-Stream folgen und wünschte sich eine zweite Runde „Overwatch“. Selbsternannte Verteidiger der Hochkultur mögen bei Film- und Gaming-Musik eventuell die Nase rümpfen. Doch wenn man das Publikum von morgen schon heute an sich binden will, darf man sich neben seinem Bildungsauftrag gern auch mal auf das einlassen, was bei der Jugend so ankommt. Denn echter Dialog zwischen den Generationen funktioniert nur auf Augenhöhe.
TOBIAS HELL

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