So kennen und lieben sie die Zuschauer: Ines Procter als „Putzfraa“ in der „Fastnacht in Franken“. © Ralf Wilschewski/BR
„Ich möchte endlich ehrlich sein“, sagt Ines Procter. Deswegen erzählt sie nun von ihrer toxischen Ehe, dem Tod ihres Mannes – und vor allem, wie sie diese Schicksalsschläge überwunden hat. © Rudi Ott/BR
Es ist ein Handschlag, der es in sich hat: selbstbewusst, kraftvoll, an der Grenze zum leicht Schmerzhaften. Ines Procter lacht, als man sie darauf anspricht. „Echt? So krass?“, fragt sie zurück, mit fränkisch geprägtem Ton. Und als man erwidert, dass sie offensichtlich auch privat die Powerfrau ist, die ihre Fans auf der Bühne erleben, nimmt sie das – zu Recht – als Kompliment.
Wenn man mit ihr tiefer ins Gespräch kommt und das Porträt über sie anschaut, das der BR im Rahmen der „Lebenslinien“ über sie gedreht hat – lernt man eine ganz andere Seite von Ines Procter kennen. Die Frau, die seit nunmehr zehn Jahren als „Putzfraa“ (ja, Fränkisch mit doppel-a) zum festen Bestandteil der „Fastnacht in Franken“ gehört (als einzige Frau mit eigener Solo-Nummer in der Bütt übrigens), hat eine so traurige wie tragische Zeit hinter sich, von der bislang kaum jemand wusste. Nicht mal ihr engstes Umfeld. Nun hat sich die 51-Jährige entschlossen, ihre Geschichte zu erzählen. „Ich habe keine Kraft mehr, die Erlebnisse nur mit mir auszumachen“, sagt sie. Als Putzfrau kehre man ja viel unter den Teppich, meint sie im Hinblick auf ihre Paraderolle. „Aber ich persönlich kann das nicht mehr. Ich möchte und muss endlich ehrlich sein – zu mir selbst und zu denen, die ein Interesse an mir haben.“
Nach einer OP ist nicht klar, ob sie je wieder auf die Bühne kommt
Bis Ines Procter Anfang 30 ist, lebt sie ein Leben, das man wohl als glücklich bezeichnen kann. Sie wächst in Erlabrunn bei Würzburg in behüteten Verhältnissen auf, ist als Nachzüglerin (ihre beiden Schwestern sind sechs und zwölf Jahre älter) Papas Liebling – und erbt von ihm, einem leidenschaftlichen Büttenredner, die Begeisterung für den (fränkischen) Fasching, für das Schreiben, Dichten und Formulieren. Mit 14 steht Ines selbst erstmals auf einer Bühne – und bringt die Menschen zum Lachen. Spätestens da spürt sie: „Das ist meine Berufung. Das möchte ich machen.“ Ihre Mutter besteht darauf, dass sie nach dem Hauptschulabschluss zuerst eine Lehre macht, Ines entscheidet sich für die Gastronomie, lernt Restaurantfachfrau.
Mit Anfang 20 macht sie ihr erstes eigenes Restaurant auf, gemeinsam mit ihrem Partner, der 20 Jahre älter und gelernter Koch ist. Doch die Beziehung geht in die Brüche. Mit 29 verliebt sich Procter Hals über Kopf in Toni. Sie wird schnell schwanger, 2003 kommt Tochter Jo auf die Welt, 2009 folgt Sohn Sam, drei Jahre später die Hochzeit. Ines hat ihr Restaurant da längst aufgegeben, den Traum von einer Karriere als Kabarettistin so gut wie begraben. Stattdessen baut sie mit Toni eine Dachdeckerfirma auf, arbeitet im Büro, kümmert sich um Haus und Kinder, macht und tut – doch glücklich ist sie nicht. Vor allem, wenn die Faschingszeit beginnt, zieht es sie zurück auf die Bühne. „Ich habe mich in der Zeit total zerrissen“, erinnert sie sich. „Ich bin aufgetreten – doch vorher habe ich immer geschaut, dass zu Hause alles läuft. Ich habe immer vorgekocht, alles organisiert, damit ich meiner Leidenschaft so unauffällig wie möglich nachgehen konnte.“
2014 entdeckt Bernhard Schlereth ihr Talent, damals Präsident des Verbandes und mächtiges Urgestein der „Fastnacht in Franken“ – es ist der Startschuss für ihre Karriere. Als „Putzfraa“ wird sie zu einem der Stars der Kultsendung aus Veitshöchheim.
Toni ist die Entwicklung seiner Frau suspekt. Er hadert mit ihrem Erfolg, wird eifersüchtig, weil es bei ihr besser läuft als bei ihm. Er hat Züge eines Narzissten, es wird laut daheim, die Beziehung wird immer toxischer, Ines leidet, denkt an Trennung, schafft aber nicht den Absprung. Aus Angst, und sie fühlt sich in der Pflicht – ihm geht es gesundheitlich nicht gut.
2019 wird Procter selbst krank. Diagnose: Darmperforation. Nach eier Operation ist erst mal nicht klar, ob sie wieder richtig auf die Beine und somit auf die Bühne kommt, doch sie kämpft sich zurück – und nimmt das Alarmsignal ihres Körpers ernst. Sie lernt: „Der Darm ist der Spiegel der Seele“ und beschließt, ihrer Leidenschaft nachzugehen und sich mit einem Solo-Programm als Künstlerin selbstständig zu machen. Der Ehe tut das nicht gut, es kriselt weiter, im Sommer 2023 zieht die Mutter zweier Kinder dann endgültig den Schlussstrich und trennt sich.
„Der Tag, an dem Toni ausgezogen ist, war wie ein Stück Befreiung für mich“, erinnert sich Procter heute. Und ihre Stimme stockt. Denn der Erleichterung über das Ende der Ehe folgt nur ein paar Tage später der Schock: Toni verunglückt bei einem Autounfall. Die Umstände sind bis heute nicht vollständig geklärt. Da Alkohol im Spiel war und stark überhöhte Geschwindigkeit, gibt es zumindest Raum für Spekulationen.
Abgesehen von dem menschlichen Drama hat Tonis Tod Auswirkungen auf die Firma. Ines Procter muss Mitarbeiter entlassen und schließlich Insolvenz anmelden, die bis heute noch nicht abgewickelt ist. Existenzängste habe sie trotz der hinterlassenen Schulden dennoch keine, sagt die taffe Frau. „Ich kann arbeiten“. Und sie steht öfter auf der Bühne denn je, nimmt nahezu jedes Engagement an – und das nicht nur zur Faschingszeit.
Aber in der besonders oft. Und gern. Die „Fastnachts-Familie“ aus Veitshöchheim sei ihr immer schon eine zweite Familie gewesen, erzählt sie. „Da habe ich gerade in der schweren Zeit einen großen Rückhalt gespürt, der für mich und meine Kinder sehr wichtig war.“ Am kommenden Freitag wird sie nun wieder dabei sein bei der großen Prunksitzung. Und als „Putzfraa“ die Menschen zum Lachen und vielleicht auch zum Nachdenken bringen, wenn sie die eine oder andere ernste Botschaft einbaut in die vermeintlich leichten Themen, um die es ihr eigentlich geht. Sie weiß, wovon sie spricht.
STEFANIE THYSSEN
Sendehinweis
„Ines Procter – Mein Umweg nach Veitshöchheim“ läuft heute um 22 Uhr im BR.