War zu Gast in München: Édouard Louis. © Imago
Sein Name prangt auf dem Programm, der Saal ist rappelvoll und doch wirkt Édouard Louis ein wenig fehl am Platz. Mit regungsloser Miene sitzt der französische Schriftsteller auf der Bühne des Münchner Literaturhauses, im bedruckten Shirt scheint er zuweilen wie ein angespannter Schuljunge kurz vor der Prüfung.
Unvorbereitet ist er jedoch nicht, in den Händen hält der 32-Jährige seinen jüngst im S. Fischer-Verlag erschienenen Roman (wir berichteten). In „Monique bricht aus“ schildert er, wie er seine Mutter unterstützt, sich von ihrem gewalttätigen Partner zu trennen. Obwohl er anfangs in einem anderen Land weilt, lotst er sie mithilfe seines Smartphones durch Paris, bestellt Taxis, Essen und später Möbel für ihre neue Wohnung. Es ist ein atemloser Roman, der einen mitzittern lässt, ob die Flucht auch wirklich gelingt und die Mutter sich von ihrem Partner lösen kann.
Trotzdem stellt sich unweigerlich die Frage, wieso der Autor sich gerade dieser Thematik widmet. Bereits in „Die Freiheit einer Frau“ von 2021 berichtet Louis, wie Monique sich nach langjähriger Ehe von seinem Vater trennt, einen Mann kennenlernt und in ein neues Leben aufbricht. „Es wäre eine Lüge, würde es nur das erste Buch geben“, erklärt Louis am Montagabend im Literaturhaus, Moderatorin Annabelle Hirsch übersetzte seine französischen Worte. Der vorangegangene Roman entlasse den Leser mit einem optimistischen Blick in die Zukunft, die Realität sei jedoch kein Happy End gewesen. „Gewalt ist eine Spirale“, betont der Autor: Einmal erlebt, hole sie einen immer wieder ein. Um ihr endgültig zu entkommen, brauche es mehrere Anläufe. „Flucht ist für mich ein menschlicher Zustand“, sagt er, der Ausbruch aus beklemmenden Verhältnissen sei nicht nur zentrales Thema seines Werks, sondern auch der allgegenwärtige Wunsch seiner Herkunftsklasse. Louis wuchs in Nordfrankreich in bitterer Armut auf, Demütigungen prägten den Alltag des homosexuellen Jungen. Erst später sei ihm bewusst geworden, dass die Gewalt und Alkoholexzesse in seinem Umfeld nur andere Formen der Flucht gewesen seien.
Édouard Louis hingegen erklomm die soziale Leiter, als Autor ist er weltberühmt. So persönlich wie in seinen Romanen wird er in München indes nicht. Das Gespräch hangelt sich an Fragen entlang, die vorab abgesprochen anmuten, dem intellektuellen Austausch mangelt es an Leichtigkeit. Louis’ steife Art mag jedoch in seiner Biografie begründet liegen – nichts in seiner Kindheit deutete darauf hin, dass er eines Tages auf einem Podium über Literatur sprechen würde.
SOPHIA COPER