Neuer Wirbel um eine „Völkermord“-Aussage bei der Berlinale: Der Hongkonger Regisseur Jun Li zitierte bei einer Premiere auf der Bühne die antisemitische Parole „From the River to the Sea, Palestine will be free“. Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts, der für politische Straftaten zuständig ist, ermittelt. Der Vorfall ist anders gelagert als beim Eklat der Abschlussgala 2024. Damals hatten die Verantwortlichen erst nachträglich reagiert, als sie massiv kritisiert wurden. Dieses Mal zeigt sich die Berlinale bemüht, es anders zu machen.
Bei dem Vorfall am Samstagabend hatte Jun Li bei der Premiere seines Werks „Queerpanorama“ eine Rede des Schauspielers Erfan Shekarriz vorgelesen, der in seinem Film mitspielt. Ein Videomitschnitt mit Teilen der Rede war in den Sozialen Netzwerken zu sehen. In dem Beitrag hieß es, Millionen von Palästinensern erstickten unter Israels brutalem Siedlerkolonialstaat. Die deutsche Regierung und ihre Kulturinstitutionen, einschließlich der Berlinale, leisteten ihren Beitrag zur Apartheid, zum Völkermord und dem brutalen Auslöschen des palästinensischen Volkes, hieß es in der Rede. Als Reaktion aus dem Publikum gab es zustimmende, aber auch kritische Zwischenrufe. Im Beitrag war außerdem die Parole „From the River to the Sea, Palestine will be free“ zu hören. Der Spruch ist eindeutig antisemitisch, weil er als Aufruf zur Zerstörung Israels und Auslöschung der jüdischen Bevölkerung zu verstehen ist.
Die neue Intendantin des Festivals, Tricia Tuttle, teilte mit, die Berlinale bedaure den Vorfall außerordentlich. „Wir haben unsere Gäste im Vorfeld darauf hingewiesen, welche politischen Äußerungen besonders sensibel und welche möglicherweise strafbar sind.“ Tuttle bemüht sich heuer, Solidarität mit den israelischen Geiseln zu zeigen. Bei der Eröffnung trug sie auf dem roten Teppich ein Foto der israelischen Geisel David Cunio (wir berichteten).
Der Schauspieler war 2013 in Berlin. Vergangenes Jahr wurde das Festival gebeten, für ihn einzutreten – vergeblich. Tuttle, die 2024 nicht im Amt war, sagte, sie wolle sich dafür bei ihm und seiner Familie entschuldigen.
LISA FORSTER