Matthias Goerne (li.) und Vladimir Jurowski. © G. Schied
Wie man Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ als musikalische One-Man-Show auf die Bühne wuchtet, das hat Schauspieler Philipp Hochmair mit seiner Band zwischen Hamburg und Wien wiederholt eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Und tatsächlich bieten sich die pathosgeschwängerten Verse vom Sterben des reichen Mannes geradezu für eine Vertonung an. Dies hatte in den 1940ern bereits der Komponist Frank Martin erkannt, der nach einem leider schnell wieder verworfenen Opernplan zumindest sechs Monologe des Titelhelden in Musik setzte.
Eine eng komprimierte Fassung des Dramas, die uns beim vierten Akademiekonzert des Bayerischen Staatsorchesters nun die Rückkehr von Matthias Goerne ins Nationaltheater bescherte. Er fand für die sechs Miniaturen immer wieder feine farbliche Abstufungen, setzte dabei aber zuweilen auch mal Klang über Diktion. Was bei einem Liedspezialisten seines Ranges doch ein wenig irritierte, sich aber bei der stimmigen Zugabe mit Bachs „Ich habe genug“ wieder einpendelte.
Die Akademiekonzerte dienen von jeher dazu, Komponisten aufs Programm zu setzen, deren Musik im Repertoire eines Opernhauses sonst kaum auftauchen. Doch mutet es tatsächlich etwas merkwürdig an, dass von den Symphonien Anton Bruckners ausgerechnet die theatralische Sechste seit über vier Jahrzehnten nicht mehr beim Staatsorchester erklungen war. Und dies keineswegs nur wegen dem „Tristan und Isolde“-Zitat, das im Finalsatz natürlich auch von Vladimir Jurowski besonders herausgestellt wurde. Bereits im wild aufbrausenden Kopfsatz wurden da keine Gefangenen gemacht.
Und wie schon bei seinem „Rheingold“-Dirigat erklärte der Generalmusikdirektor auch beim wesensverwandten Bruckner dem Mischklang eine klare Absage und stürzte sich lieber in die Arbeit am Detail. Wodurch gerade aus den Bläserreihen manche Motive wie Leuchtraketen herausschossen, während man sich die Einsätze der Streicher hin und wieder noch eine Spur sauberer hätte vorstellen können. Dank Jurowskis kraftvoll zupackendem Dirigat blieben dies aber nur kleine Schönheitsfehler, die vom Jubel des Publikums zum Glück rasch hinweggefegt wurden.
TOBIAS HELL