Gefühlvoll in ihrer Muttersprache: Jasmin Tabatabai.
Er habe sie einst „in den Jazz gezogen“, verrät Jasmin Tabatabai über den Schweizer Saxofonisten David Klein. Mit dessen Quartett gastierte sie im Night Club des Bayerischen Hofs. © Yannick Thedens (2)
Kreative Menschen haben ja gar nicht so selten eine Doppelbegabung. Zahlreiche deutsche Charakterdarsteller etwa haben sich in den vergangenen Jahren als Romanciers versucht – Meyerhoff, Selge, Brandt mögen als Beispiele genügen – und damit nicht nur das Publikum, sondern auch die professionelle Kritik überzeugt. Versteht sich, dass es auch abschreckende Gegenbeispiele gibt, wie jemand seine Prominenz ohne (Zweit-)Talent auf einem anderen Gebiet zu kapitalisieren versucht. Beispiele dafür, dass sich jemand abseits der Kamera dem Jazzgesang zuwendet, muss man seit Manfred Krug in der Mimen-Elite hierzulande allerdings mit der Lupe suchen.
Jasmin Tabatabai aber versucht nun genau das. Die Musikalität der deutsch-iranischen Schauspielerin dürfte seit dem von ihr mitgeschriebenen Soundtrack zum Kino-Hit „Bandits“ außer Zweifel stehen. Nach Versuchen im Pop, etwa zusammen mit Ärzte-Drummer Bela B, habe sie 2011 der Schweizer Saxofonist David Klein „in den Jazz gezogen“. Mit dessen Quartett steht sie nun im gut besuchten Night Club des Bayerischen Hofs auf der Bühne. Wenn dabei eines rasch deutlich wird, dann dass sich Tabatabai mit dem Genrewechsel nicht unbedingt einen Gefallen tut. Oder anders ausgedrückt: Man tut Tabatabai keinen Gefallen, wenn man ihren Gesang nach JazzKriterien beurteilt. Dafür fehlen ihr Virtuosität, individuelle Phrasierung und genuines Swing-Feeling. Was sie indes durch Bühnenpräsenz (da kommt das Schauspielerische zum Tragen) und Ausdrucksfähigkeit in langsamen Tempi gut wettmacht.
Am ehesten knüpft Tabatabai ans Diseusenhafte einer Hildegard Knef an, von der sie drei angejazzte Chansons im Repertoire hat. Zu deren markantem Reibeisen-Organ fehlen ihr zwar noch mehr als eine Stange Zigaretten und das Spirituosenangebot einer ganzen Bar, was aber nichts macht, wenn eine deutsche Cole-Porter-Adaption wie „Sei mal verliebt“ so charmant rüberkommt, auch weil „der deutsche Text noch geiler als das Original“ (Tabatabai) ist.
Ansonsten reicht das Repertoire von Franz Schuberts „Ständchen“ als sanft-melancholischem Auftakt bis zur Vertonung der raffiniert-verspielten Lyrik von Poetry-Slammer Sebastian 23, pendelt zwischen so unterschiedlichen Singer/Songwritern wie Reinhard Mey („Männer im Baumarkt“) und Nick Drake. Begleitet wird das von Kleins Quartett meist mit dezentem Barpiano-Jazz, dessen Klischees so abgestanden sind wie die Witze, die Klein zwischendurch zum Besten gibt – und vom Status quo der Jazzentwicklung mehr als nur eine Dimension entfernt.
Am überzeugendsten ist Tabatabai in den beiden traditionellen Liedern ihres Geburtslandes Iran. Wenn sie in ihrer ersten Muttersprache singt, berührt sie auf einmal, weil man spürt: Diese Songs mag sie nicht nur, sie fühlt sie. „Shekare Ahoo“ – das in der deutschen Übersetzung „Jagd auf Rehe“ ihrer aktuellen CD den Titel gibt – beendet sie mit dem, „was man nicht oft genug sagen kann: Frau, Leben, Freiheit“. Das ist Unterhaltung mit Haltung, und so gelingt es Tabatabai, in drei Sprachen verschiedene Facetten ihrer Künstlerpersönlichkeit zu zeigen. Das ganze Konzert ist überwiegend sympathischgefälliges, in Teilen einnehmendes Entertainment – eine Jazz-Entdeckung eher nicht.
REINHOLD UNGER