Der Umsturz findet nicht statt. Oder? Szene aus „RCE“ in der Giehse-Halle. © Judith Buss
Die Revolution kündigt sich mit bunten Ohrstöpseln an. Vorsorglich liegen sie in Päckchen am Eingang der Therese-Giehse-Halle für die Zuschauer aus. So laut wie befürchtet wird es nicht, ein bisschen unheimlich jedoch schon. In seinem Gesellenstück „RCE. #RemoteCodeExecution“ wirft der dritte Schauspiel-Jahrgang der Otto-Falckenberg-Schule einen Blick in eine dystopische Zukunft: Milliardäre teilen gelangweilt die privatisierte Welt unter sich auf, Senioren hingegen gelten als Kostenfaktor und werden zum Selbstmord gedrängt. Eine Gruppe junger Hacker beschließt, dass es so nicht weitergehen kann – und plant gemeinsam den Umsturz.
Es ist nicht ihr erster Versuch. „RCE. #RemoteCodeExecution“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Sibylle Berg, der mittlere Teil ihrer Trilogie über ausufernde digitale Macht. Bereits im Vorgängerband „GRM.Brainfuck“ versuchten die Hacker, das staatliche Überwachungssystem zu überführen, die Bühnenadaption von Dennis Duszczak gewann 2023 beim „Radikal jung“-Festival den Preis der Master Class (wir berichteten).
So wundert es nicht, dass der Regisseur dem Stoff treu bleibt. Leider wagen er und Hannah Saar es nicht, in ihrer Bühnenfassung groß von der Vorlage abzuweichen. Selten sprechen die Schauspieler miteinander, fast ausschließlich richten sie ihre Worte ans Publikum. So entsteht der Eindruck einer inszenierten Lesung und nicht eines eigenständigen Stückes. Zudem bietet der Abend dem jungen Ensemble wenig Gelegenheit, sich zu profilieren, ohne exponierte Rollen bleiben viele etwas blass. Sina Leinweber als strippenziehender Organisator, Elisabeth Nittka als strebsame Rachel und Paula Aschmann als hysterische Freia stechen in ihrer Souveränität indes hervor, von Enes Sahins Gesang möchte man in Zukunft ebenfalls mehr hören.
Auch die subtile Bühnengestaltung von Loriana Casagrande ist eine Freude. Während links die Hacker in einem engen, mit Plastikfolien ummantelten Kabuff ihre Pläne schmieden, prosten sich rechts steinreiche Unternehmer auf einer weitläufigen Treppe mit Champagner zu. Am Ende kullern die Gläser auf dem Boden herum, Geldscheine fliegen durch die Luft. Die Ohrstöpsel bleiben trotzdem eingepackt.
SOPHIA COPER