Hielt ein Grußwort: Charlotte Knobloch, Präsidentin der Jüdischen Gemeinde.
Sie sind lange schon Kult, der Tscharlie und seine Oma. 1974 spielten Günther Maria Halmer und Therese Giehse in den „Münchner Geschichten“. © BR
Erinnerte an seine Schauspielkollegin Therese Giehse (1898-1975): Günther Maria Halmer am Samstag in den Münchner Kammerspielen. © JULIAN BAUMANN (2)
Eine Woche lang feiern die Münchner Kammerspiele ihr ehemaliges Ensemblemitglied, die Ausnahme-Schauspielerin Therese Giehse (wir berichteten): rund um ihren 50. Todestag am 3. März, ihren 127. Geburtstag am 6. März und den Internationalen Frauentag am 8. März, passenderweise natürlich in der nach ihr benannten Halle. Die quillt am Samstag förmlich über bei dieser „Gala für Giehse“, einem sehr unterhaltsamen, von Ensemblemitglied Luisa Wöllisch und BR-Moderatorin Alexandra Martini charmant moderierten Abend.
Markanter Auftakt: Die Theatergruppe der Therese-Giehse-Realschule aus Oberschleißheim, die schon vor Beginn Zettel mit Giehse-Zitaten verteilte und damit alle Gäste miteinander ins Gespräch brachte, verdeutlicht, welche Wirkung diese unkonventionelle, willensstarke Frau bis heute auf junge Menschen haben kann. „Mehr Therese wagen!“, lautet dementsprechend der Schlachtruf, mit dem Barbara Mundel, Intendantin der Kammerspiele, zu mehr Widerspruchsgeist und Wahrhaftigkeit aufruft. „Mehr als zehn Millionen Menschen in Deutschland haben bei der Bundestagswahl Ende Februar eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei gewählt.“ Das Verständnis für Geschichte „scheint uns abhandenzukommen“, stellt sie fest. „Das wollen wir an den Kammerspielen so nicht hinnehmen.“
1949 kehrte Therese Giehse aus dem Exil an das Theater zurück. Otto Falckenberg, mit dem sie früher hier gearbeitet hatte, war nicht mehr da – ebenso wie fast alle ihre Freunde und Wegbegleiter. Die Stadt war zerstört, voller Displaced Persons und Altnazis. „Was wird ihr da durch den Kopf gegangen sein?“, fragt Mundel. Nicht allzu viel Gutes vermutlich. Dem SchreibwarenHändler an der Maximilianstraße, einem ehemaligen Nazi, spuckte die von den Nationalsozialisten vertriebene Jüdin zumindest bei ihrem täglichen Weg zu den Kammerspielen vor den Laden. Wenigstens das.
Doch die Frage bleibt und wirft kein gutes Licht auf München, warum man diese hier geborene und gestorbene Theaterlegende bisher nicht entsprechend gewürdigt hat. „Warum ist sie, die münchnerische, jüdische, lesbische, sozialistische und konsequent renitente Therese Giehse nicht so im Gedächtnis der Stadt München verankert, wie sie das verdient? Oder sind es genau diese Eigenschaften, die dazu geführt haben?“, vermutet Mundel. „Wir fangen mit dem Würdigen, dem Verankern, dem Feiern, dem Lebendighalten von Therese Giehse jetzt an. Lasst uns künstlerisch und politisch Widerstand leisten.“
Per Video-Einspieler kommen ehemalige Kollegen wie Walter Hess, Traute Höss oder Michaela May zu Wort, wobei Letztere bei ihren Erinnerungen stets ehrfürchtig von „Frau Giehse“ spricht. Günther Maria Halmer erinnert sich in einer launigen, mit vielen Anekdoten gespickten Rede an die gemeinsamen Dreharbeiten zu Helmut Dietls erster TV-Serie „Münchner Geschichten“ und angesichts seiner liebevollen, warmherzigen Worte kommt im Publikum nicht zum letzten Mal an diesem Abend echte Rührung auf. Musikalisch begleitet wird das Programm, dessen inszenatorischer Höhepunkt zweifellos die Lesung der Graphic Novel „Die Giehse“ von Barbara Yelin durch Ensemblemitglied Wiebke Puls ist, von der österreichischen Musikerin und Klangkünstlerin Katarina Maria Trenk, auch bekannt als KMT oder als Hälfte des Duos Euroteuro.
Trenk hat Giehse-Zitate klug kombiniert mit einem angenehm treibenden Elektro-Soundteppich – eine rundherum würdige Hommage und so innovativ, dass auch die Giehse ihre Freude daran gehabt hätte.
ULRIKE FRICK