In der großartigsten Szene des Romans schildert Mosebach eine Wildschweinjagd, die von einem Unternehmer für eine erlesene Gesellschaft veranstaltet wird. © S. Sauer, M. Hintzen
Die glorrreichen Sieben? Sie hausen in einem Taubenhaus mitten in der Stadt, vermutlich in Frankfurt am Main, jenem Ort, in dem der Autor Martin Mosebach zu Hause ist. Er hat viel übrig für das Gefieder. In seinem zuletzt erschienenen Roman „Taube und Wildente“ dient es ebenfalls als poetisches Gleichnis zum menschlichen Lebensmodell. In Mosebachs neuem Roman „Die Richtige“ sind es sieben Tauben in unterschiedlicher Färbung. Ihr Fliegen im Schwarm, die Schönheit der gleitenden Kurven, das Kreisen um einen Mittelpunkt, die Vereinzelung und die gemeinsame Rückkehr in den Taubenschlag – das entspricht, wenn man so will, jenen Menschenfiguren dieser neuen Mosebach-Geschichte, die auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden sind.
Im Mittelpunkt steht der auf dem Weg ganz nach oben sich befindende Maler Louis Creutz; um ihn herum das befreundete Ehe-, Sammler- und Industriellen-Paar Beate und Rudolf sowie dessen scheuer Bruder Dietrich, der eigentliche Chef der international agierenden Firma für hydraulische Hebebühnen. Ferner gehören dazu Ed Weiss, allerdings isoliert von den anderen, aber der verluderte Schulfreund des Malers, und sein einstiges Modell, die geheimnisvolle, schizophren-auffällige Flora. Als Neuzugang in diesem Kreis und Objekt der Begierde sowie des Neids agiert naiv, arglos und unbeleckt von der biederen Exzentrik dieser exaltierten Typen Astrid, die frische Schönheit aus dem hohen Norden.
Im Prinzip dreht sich hier alles um die Kunst, ihre Gesetze, ihre Theorie. Die allerdings bestimmt Louis Creutz, der Maler, selbst. In seiner mitleidlosen, amoralischen Selbstgewissheit gefällt er sich in seinen belehrenden Ausflügen in Philosophie, Theater und Kunstkritik und in der Freiheit, sich zu nehmen, was ihm gefällt.
Daran, aber auch an Astrids unbewusster Rolle als sozialer Katalysator, zerbröselt langsam, jedoch sicher der Zusammenhalt der Freundesgruppe. Und so stellt auch Martin Mosebach in seinem Roman viele Kapitel vereinzelt nebeneinander, als seien sie irgendwann bereits extra geschrieben worden. Deutlich ist dadurch die Isolierung der jeweiligen Figuren zu spüren, die ihre Runden immer nur um denselben Mann, den Künstler Louis Creutz, drehen.
Die großartigste Szene des Romans ist ihm gewidmet, wenn hier auch nur als Außenstehendem: Es ist die große Jagd, die der kunstferne, stille und rücksichtsvolle, in Astrid verliebte Unternehmer Dietrich für eine erlesene Gesellschaft von Jägern generös veranstaltet. Der Maler ist seiner freundlichen Einladung gefolgt und erfährt angesichts einer kapitalen Wildsau Angst und Schrecken sowie staunende Bewunderung für den Meisterschuss seines Gastgebers. Welten tun sich auf – an Tradition, Luxus, Reichtum, Selbstbewusstsein und, ja, auch Liebenswürdigkeit.
Mit schriftstellerischer Strenge blickt Mosebach kritisch, vielleicht auch selbstkritisch, durch eine Art Brennglas auf diese Menschen der Gesellschaft, als deren Protagonisten sie sich wähnen, eingeschlossen in ihrer eigenen Künstlichkeit. Louis Creutz, der mit seinen Akt-Bildern viel Ruhm erfährt und hohe Preise erzielt, den nicht das Gesicht, sondern einzig die Haut seines Modells als aussagekräftiges Charakteristikum interessiert, gelangt gegen Ende des Buchs zu der nüchternen Erkenntnis: „Erfolg ist schlechtere Arbeit für mehr Geld.“ Was nicht auf den Autor Mosebach zutreffen soll.
Dieser bildstarke Roman mit seinen intensiv gezeichneten Menschen – liebenswert und abscheulich, sie kommen einem alle irgendwie bekannt vor –, mit seinen dramatischen, überraschenden Wendungen ist nicht durchgehend leicht zu lesen. Für die philosophischen und kunsttheoretischen Auslassungen braucht es Geduld. Dennoch, der Profit liegt bei den Leserinnen und Lesern. Wenn auch bei den sieben Figuren des Romans von Gloriosität nicht die Rede sein kann.
SABINE DULTZ
Martin Mosebach:
„Die Richtige“. dtv, München, 348 Seiten; 26 Euro.
Lesung: Martin Mosebach stellt seinen Roman am 19. März,
19 Uhr, im Literaturhaus München, Salvatorplatz 1, vor; Tickets – auch für den Livestream – unter 0761/ 8884 9999.