Erotische Konflikte im Nobelhotel

von Redaktion

Auch dem Staatstheater Nürnberg gelingt Händels „Alcina“

Große Diven-Momente: Julia Grüter brilliert mit klar geführtem Sopran als umschwärmte Alcina. © .Ludwig Olah

Bahnt sich da eine neue Renaissance für Georg Friedrich Händel an? Grade seine „Alcina“ scheint an Bayerns Staatstheatern derzeit hoch im Kurs zu stehen. Vorgelegt hatte im Januar das Gärtnerplatztheater. Und ehe die Bayerische Staatsoper nächste Saison nachzieht, kommen Barockfans nun auch in Nürnberg bei diesem Klassiker voll und ganz auf ihre Kosten.

Denn hier hat Intendant Jens-Daniel Herzog seine 2024 in Bonn erarbeitete Produktion mit dem hauseigenen Ensemble noch mal weiter verfeinert. Schauplatz ist bei ihm keine Zauberinsel, sondern ein nobles Hotel mit Art-déco-Interieur. Wobei die zeitliche Neuverortung keineswegs nur als Steilvorlage für Kostümbildnerin Sibylle Gädeke dient. Nein, die Regie lässt zwischen den edlen Vintage-Roben mehrfach die Schrecken des Ersten Weltkriegs aufblitzen, von denen die hier Gestrandeten Ablenkung suchen. Gewürzt mit unterhaltsamen Revue-Elementen, die eine Fallhöhe für die emotionalen Konflikte des zentralen Liebesdreiecks aufbauen.

Julia Grüter brilliert in den großen Diven-Momenten, lässt mit klar geführtem Sopran aber spüren, dass sich hinter Alcinas autoritärem Auftreten oft tiefe Melancholie verbirgt. In Sara Šetar hat sie dabei eine ernst zu nehmende Konkurrentin, die als Bradamante mit dunklem Mezzo ebenso leidenschaftlich zu kämpfen weiß. Und dass sich zwischen diesen beiden Naturgewalten auch Corinna Scheurle als Ruggiero zu behaupten weiß, macht das Barock-Glück nahezu perfekt.

Spätestens jetzt muss natürlich noch Dirigentin Dorothee Oberlinger erwähnt werden. Sie formt aus der Staatsphilharmonie ein stilsicheres Barockensemble, das gemeinsam mit der exzellenten Continuo-Gruppe zum gleichberechtigten Partner der Sängerinnen und Sänger wird. Natürlich gibt es da so manche Arie, in der das vokale Feuerwerk an erster Stelle steht. So etwa Morganas „Tornami a vagheggiar“, bei dem Chloë Morgan perlende Koloraturen am laufenden Meter produziert.

Doch Oberlinger ist am Pult eben nicht nur eine zuverlässige Begleiterin, sondern fordert mit ihren forschen Tempi auch heraus und sucht dabei permanent den Dialog mit der Bühne. Womit man sich gegenseitig zu Höchstleistungen animiert.
TOBIAS HELL

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