Dunkles Geheimnis

von Redaktion

Drama um eine dysfunktionale Familie von Regisseur Tom Tykwer

Erfolgsregisseur Tom Tykwer © Foto: dpa

Lars Eidinger als Vater Tim in dem Film „Das Licht“. © Foto: X-Verleih

Seinen monumentalen Film „Das Licht“ beginnt Tom Tykwer mit einer Ouvertüre. Wie Ravels „Bolero“ schaukelt sich die Musik hoch, während wir in den Alltag einer linksliberalen Berliner Familie geführt werden. Jede Figur wird mit ihrem persönlichen Dilemma etabliert. Vater Tim (Lars Eidinger) verleiht einer neoliberalen Firma das Image des Weltverbesserers, Mutter Milena (Nicolette Krebitz) bangt um die Förderung für ihr Theaterprojekt in Kenia, die sexuell verunsicherte Tochter Frieda (Elke Biesendorfer) verliert sich in drogengeschwängerten Clubnächten, und ihr Zwillingsbruder Jon (Julius Gause) hat sich wegen seiner Sozialphobie ganz in ein Virtual-Reality-Spiel zurückgezogen.

Was die Familie zudem prägt, ist eine tiefe Entfremdung voneinander. Die Erzählstränge um die Familienmitglieder sind fein säuberlich getrennt. Die Begegnungen in der gemeinsamen Altbauwohnung in Charlottenburg beschränken sich auf ein liebloses Gemurmel. Auftritt: Farrah (Tala al Deen). Wie das Auge Gottes gleitet die Kamera zu Beginn des Films in das Berliner Hochhaus, wo die syrische Geflüchtete in einer Frauen-WG lebt. Dass die Handlung von Anfang an schicksalhaft vorbestimmt wirkt, hat vielleicht auch mit himmlischem Einfluss zu tun, mehr aber noch mit der Entschiedenheit Farrahs. Nachdem die bisherige Putzfrau der Familie einem Herzinfarkt erlegen ist, übernimmt die Syrerin trotz Überqualifikation den Posten. Was sie dort vorhat, wird erst am Schluss enthüllt; es scheint aber mit ihrer eigenen Familie zusammenzuhängen, die ihr regelmäßig in Visionen erscheint.

„Das Licht“ handelt von den Krankheiten der modernen Gesellschaft und den Widersprüchen einer wohlmeinenden Mittelschicht. Farrah ist dafür das Gegengift. Sie hat positiven Einfluss auf die Familie, führt sie gewissermaßen zum titelgebenden Licht, das konkret für eine seltsame Apparatur mit hypnotischer Wirkung steht und im übertragenen Sinn für die Suche nach Erlösung. Die Wohlstandsprobleme der Familie und die existenzielle Fluchtgeschichte der Putzfrau stehen zwar in starkem Kontrast zueinander, doch der Film spielt sie nicht gegeneinander aus. Er urteilt nicht und entlarvt auch nicht, sondern bleibt in seiner leicht esoterischen, Menschen und Welten umarmenden Geschichte nachgiebig. Die familiären Reibungen, um die es auch geht, resultieren häufig in holzschnittartigen Dialogen. Ein über mehrere Stockwerke führender Ehestreit führt exemplarisch vor, dass Tykwer weniger am nuancierten Drama als am Spektakel interessiert ist.

So aufwendig die Inszenierung von „Das Licht“ mit ihren opulenten Kamerafahrten und szenischen Einfällen auch ist: Es fehlt dem Film an Fantasie. Tykwer rahmt seine Figuren mit der futuristischen Architektur des modernen Berlins. Er zeigt, was man hier in Clubs, auf industriellen Freiflächen oder bei einer nächtlichen Fahrrad-Verfolgungsjagd durchs verregnete Kreuzberg erleben kann, doch er kostet das Potenzial solcher Schauwerte selten aus. Stattdessen mutet „Das Licht“ mit seinen glatten Bildern und Faible für spektakuläre Schauplätze wie ein Imagefilm an, der Berlin auf so idealisierte Weise als divers, anders und abenteuerlich darstellt, als handelte es sich um eine Tourismuskampagne. Selten dringt der Film hinter die gediegene Oberfläche.

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