AUSSTELLUNG

Besser bauen mit Baum

von Redaktion

Im Architekturmuseum zeigt die TUM nachhaltige Visionen

Lebende Brücken wie diese in den indischen Regenwäldern Maghalayas entstehen in einer oft generationenübergreifenden Zusammenarbeit zwischen Menschen und Bäumen. © TUM

Aus 32 jungen Platanen, die ein leichtes Dach tragen, besteht dieses experimentelle Bauwerk aus dem Jahr 2022. Die Äste und Stämme der Bäume wurden über einen Zeitraum von zehn Jahren in ihrem Wachstum gezielt geformt. © Kristina Pujkilovic

Es ist wie in der Politik: Das Problem ist die Eitelkeit. Natürlich könnten Architekten und Städteplaner heute die fantastischsten, nachhaltigen Konzepte mit lebenden Bäumen entwickeln. Weil lebende Organismen aber nun einmal nicht von heute auf morgen fertig sind, können diese weitsichtigen Architekten und Städteplaner die Realisierung ihrer hehren Visionen meist gar nicht mehr bezeugen. Ergo auch nicht zu Lebzeiten dafür gefeiert werden. Der große Wunsch der Nachhaltigkeit, manchmal scheitert er am allzu Menschlichen.

Und dann gibt es Visionäre wie Ferdinand Ludwig, die auf Eitelkeit pfeifen und sich ganz und gar der Verbesserung des Status quo widmen. Der Architekt und Professor an der TU München ist Mitbegründer des Forschungsbereichs Baubotanik. Und entwickelt mit seinen Studierenden architektonische Konzepte, bei denen Pflanzen eine – im wahrsten Sinne des Wortes – tragende Rolle spielen.

Im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne präsentiert er zusammen mit seiner Mitkuratorin Kristina Pujkilovic, was das ganz praktisch bedeutet. Wer den abgedunkelten ersten Raum der Schau betritt, hat nicht nur wie bei jeder Ausstellung des Hauses einmal mehr das Gefühl, ein völlig neues Museum zu besuchen, sondern wird auch gleich auf den Boden der Tatsachen geholt. Ein gigantischer Stapel Braunkohlebriketts steht hier – als Sinnbild für die Menge des fossilen Brennstoffs, den drei Bundesbürger im Schnitt verbrauchen. Wer dann die Fotos an den Wänden sieht, die von den massiven Umweltzerstörungen erzählen, die der Bergbau auslöst, ist schon mittendrin im Thema. In der Gier nach immer neuer Energie zerstört der Mensch seine eigene Lebensgrundlage.

Und dies in einer rasenden Geschwindigkeit: Eine Abbildung veranschaulicht, dass vor rund 300 Millionen Jahren die erste „Hochphase der Bäume“ begann. Die Überreste riesiger Wälder verwandelten sich über Jahrmillionen hinweg in Kohle, wodurch der Atmosphäre große Mengen CO₂ entzogen wurden. Bis zur industriellen Revolution, also etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts, blieb die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre dann relativ stabil, doch mit dem Wachstum der Städte stieg die Menge des Treibhausgases dramatisch an. Mit den bekannten Folgen.

Nun sollen Lösungen her. Mehr Bäume in die Städte, das klingt erst einmal gesund und gut. Doch wieder ist da ein Problem, das sich durch die ganze, überaus sehenswerte Ausstellung zieht: der Faktor Zeit. In einem Affentempo haben wir die Welt zerstört, jetzt würden wir sie gern in ebensolcher Geschwindigkeit wieder aufrichten. Schöner Traum, die Realität sieht anders aus: „Bäume sind anachronistische Wesen mit einer völlig anderen Zeitlichkeit als wir“, betont Ferdinand Ludwig. Jede Lücke, die ein abgeholzter Riese in die Landschaft reißt, bleibt lange ungefüllt.

Und doch macht diese Ausstellung Hoffnung. Zeigt faszinierende Projekte überall auf der Welt, in der man der Natur die Möglichkeit gibt, sich zu entfalten – und die eigenen architektonischen Ideen den natürlichen Entwicklungen unterordnet. Und damit manchmal auch der eigenen Eitelkeit. Könnten sich nicht nur Politiker eine Scheibe von absägen.
KATJA KRAFT

Bis 14. September

Täglich (außer Mo.) 10 bis 18 Uhr,
Do. bis 20 Uhr;
Pinakothek der Moderne

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