Robert Koch hat die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers bereits 1882 verkündet. Dennoch sterben bis heute Millionen Menschen an der Infektionserkrankung. © Archiv
Dass John Green über Krankheit und Tod so sanft und empathisch schreiben kann, dass man von der Grausamkeit der Tatsachen fast überwältigt wird, ohne es kommen zu sehen, das weiß man spätestens seit dem Jahr 2012. Damals gelang dem US-Autor mit dem Roman „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ über zwei an Krebs erkrankte Jugendliche, was wenige Autoren schaffen: Dinge, die eigentlich zu ungerecht, zu gemein sind, um sie auszuhalten, so zu erzählen, dass man das Buch dennoch nicht weglegen mag.
Nun ist Green das abermals gelungen. In seinem neuen Buch beschäftigt er sich mit einer Krankheit, die wie kaum eine andere die Ungerechtigkeit unserer Welt schmerzhaft deutlich macht. Denn Tuberkulose (TB), an der jedes Jahr mehr als zehn Millionen Menschen erkranken und über eine Million Menschen sterben, gehört nicht nur zu den tödlichsten Infektionskrankheiten der Welt. Sie folgt auch, so drückt es Green selbst treffend aus, „den Wegen der Ungerechtigkeit und Ungleichheit, die wir ihr geebnet haben“.
„Tuberkulose“ hat Green sein neues Werk schlicht genannt, und dieser allumfassende Titel, beinahe ein Anspruch auf Vollständigkeit, wird dem Inhalt durchaus gerecht. Tatsächlich hat der Autor, ausgehend von einer Zufallsbegegnung mit einem jungen TB-Patienten in Westafrika, eingehend recherchiert: Zur Geschichte der Tuberkulose, zu Infektionswegen, Symptomatik und Heilungsmöglichkeiten, aber auch zu den gesellschafts- und sozialpolitischen Bedingungen, die der Krankheit die Ausbreitung erst ermöglichen. Beileibe jedoch ist „Tuberkulose“ kein trockener Wälzer für Fachexperten – dafür ist John Green schließlich John Green. Anhand der Geschichte des Jugendlichen Henry zeichnet er ein Bild, das uns von der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe nur allzu bekannt vorkommt: Das Bild einer Krankheit, deren Brutalität schon krass genug wäre, gäbe es nicht eine Wahrheit, die noch härter trifft und die Green so formuliert: „Wir wissen, wie wir in einer Welt ohne Tuberkulose leben könnten. Es ist unsere Entscheidung, dass wir es nicht tun.“
Es ist wahr: Die Medikamente existieren, selbst für resistente Formen der TB. Wir wissen, wie Lungen-TB behandelt werden kann, aber auch die weniger bekannte Tuberkulose anderer Organe oder der Knochen. Wir wissen, wie wichtig es ist, die Behandlung bis zum Ende durchzuführen, und wir wissen um die Notwendigkeit der Forschung, um die Krankheit weiter einzudämmen.
Jedoch: Wir leben in einer Welt, in der die Menschen, die am häufigsten an Tuberkulose erkranken, zu marginalisierten Gruppen gehören. Es sind Menschen, die von Armut betroffen sind, die in beengten Wohnverhältnissen leben, deren Zugang zu medizinischen Leistungen eingeschränkt ist. Menschen, die – gerade angesichts der globalen Krisen – jederzeit damit rechnen müssen, dass sie keine Medikamente mehr bekommen, dass ihre Ärzte nicht mehr bezahlt werden oder dass es keine Diagnosemöglichkeiten mehr gibt.
Henry aus Sierra Leone gehört zu diesen Menschen. Von seiner Geschichte hat John Green ein eindringliches Zeugnis abgelegt. Er hat die Komplexität der Krankheit nicht nur durchdrungen, er hat sie verständlich und mitreißend dargestellt, die Lektüre sei hiermit dringend empfohlen. Dabei aber mache man sich bewusst: Es gibt Millionen Menschen auf der Welt, die Henrys Erfahrungen teilen. Auch ihre Geschichten müssen gehört, ihre Rechte vertreten, ihre Erkrankungen behandelt werden. Dafür setzen wir bei der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe uns täglich ein – dank der großzügigen Spenden, die unsere Arbeit finanzieren. Mit John Green wissen wir nun einen wichtigen Mitstreiter an unserer Seite.
EIN GASTBEITRAG
VON JOHANNA SCHULTHEISS,
SPRECHERIN DER DAHW
DEUTSCHE LEPRA- UND TUBERKULOSEHILFE
John Green:
„Tuberkulose“. Hanser,
München, 200 Seiten; 24 Euro.