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von Redaktion

Nicholas Brownlees sensationelles Münchner Rollendebüt als Fliegender Holländer

Nicholas Brownlee als verliebter Untoter. © G. Schied

Die Ewigkeitsfahrt eines Untoten auf den Ozeanen, unterbrochen alle sieben Jahre von einem Beziehungsversuch: Diesem Fliegenden Holländer nimmt man es nicht ganz ab. So, wie sich Nicholas Brownlee als Titelrollenträger in Richard Wagners Oper seiner Senta nähert, hat der linkische, verlegene Kerl noch kaum Frauenerfahrung. Es ist eine aparte Volte in Peter Konwitschnys Regie-Oldtimer an der Bayerischen Staatsoper. Aber intelligente Produktionen wie diese halten das locker aus.

Eigentlich war die Wiederaufnahme des 2006 herausgekommenen Klassikers anders geplant, mit Gerald Finley als Holländer und Asmik Grigorian als Senta. Nach dem letzten Ton dürfte kaum einer mehr nach der vorgesehenen Besetzung gekräht haben. Das liegt vor allem an Brownlee. Der 36-Jährige ist im Flow. Gerade hat er den dunklen Seemann in Valencia verkörpert, war dort zwischendurch indisponiert (ein kaum verstohlenes Husten kündet wohl noch davon) und singt nun ein sensationelles Münchner Rollendebüt. Die enorme Intensität, die konzentrierte Ton-Energie, die Textbehandlung, das singdarstellerische Durchdringen der Partie: Vieles kommt da zusammen. Und manchmal – bitte anschnallen – wird man von Brownlees Gesang wie im Monolog oder im Finale einfach nur in den Sitz gedrückt.

Dass der US-Amerikaner als Münchens Wotan gebucht ist, gehört zu den derzeit größten Besetzungsglücksfällen. Musikalisch bräuchte er noch einen adäquaten Rahmen. Das, was Dirigent Patrick Lange will, sieht man eher und hört es nur vorübergehend. Manches ist vom Bayerischen Staatsorchester diffus bis rustikal musiziert, so richtig ist diese „Holländer“-Interpretation noch nicht auf Betriebstemperatur.

Camilla Nylund verfügt über keine stählerne Attacke. Dafür erfüllt sie die Senta mit gerundeter Dramatik bis in Extremlagen. Man merkt ihr die lyrische Vergangenheit an und staunt umso mehr über den triumphal gesungenen Schluss. Franz-Josef Selig ist glaubwürdig, weil er den Daland nicht als Spielopernfigur zeichnet. Und Benjamin Bruns hat wie Camilla Nylund die Karriere so klug wie konsequent entwickelt. Als Erik lässt er viel empfindsames Melos hören – und geht doch mit Tenormetall, das er sich in den vergangenen Jahren angereichert hat, in die Offensive. Jedes Wort ist zu verstehen, nie gerät Bruns an den Anschlag. Ein Künstler mit bester Prognose: Ob er uns hier bald im ganz großen Wagner-Fach wiederbegegnet?
MARKUS THIEL

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