Der Brandner Tscharlie

von Redaktion

Franz Xaver Kroetz schreibt fürs Resi einen neuen „Kaspar“

Florian von Manteuffel ist der Boanlkramer. © Joel Heyd

Franz Xaver Kroetz sollte erst selbst spielen. © Michaela Rehle

Günther Maria Halmer spielt in der Uraufführung die Titelrolle. Premiere ist am 14. Juni. © Sammy Hart

Im Rückblick betrachtet, war alles eine verdeckte Aktion. Dass das Bayerische Staatsschauspiel einen „Brandner Kaspar“ plant, ist zwar seit fast einem Jahr bekannt. Doch ganz verschämt sprach man damals von einer Neuauflage mit Franz Xaver Kroetz in der Titelrolle und suggerierte: Das könnte irgendwie eine 2.0-Fassung des Originals von Franz von Kobell werden, das 1871 herauskam und von Kurt Wilhelm 1975 zum heute sagenumwobenen Kultstück fürs Residenztheater umgemodelt wurde.

Jetzt ist der Kater aus dem Sack: Franz Xaver Kroetz selbst hat eine Neufassung des „Brandner Kaspar“ geschrieben, die am 14. Juni im Residenztheater uraufgeführt wird. Und weil ihm alles zu viel Kroetz zu werden droht, habe er nicht mehr die Hauptrolle spielen wollen, so berichtet es jedenfalls Ingrid Trobitz, Kommunikationschefin und stellvertretende Intendantin am Staatsschauspiel. Für den Brandner fand das Haus einen anderen Promi, es ist Günther Maria Halmer. Der einstige Held der „Münchner Geschichten“ wird quasi zum „Brandner Tscharlie“.

„Seit ewiger Zeit“, so formuliert es Trobitz, sei kein Theatertext mehr von Kroetz uraufgeführt worden. Dass dies am Resi passieren sollte, darüber sei man ebenfalls schon länger im Gespräch. Und dass es nun der „Brandner Kaspar“ wird, wertet die Vize-Chefin als „kleine Sensation“. Schon Intendant Andreas Beck habe schließlich immer wieder gesagt, dieser Stoff gehöre einfach zu Bayerns Staatsschauspiel. Und selbstverständlich werde man diesen mutmaßlichen Renner nicht im Cuvilliéstheater zeigen, sondern im großen Haus. Der Vorverkauf startet am 30. April. Die Ticketserver dürften heißlaufen. Und vielleicht gibt es seit langer Zeit auch mal wieder Warteschlangen vor einer Münchner Schauspielkasse.

Wie ursprünglich geplant, zeichnet Philipp Stölzl für Regie und Bühnenbild verantwortlich. Ein Mann für die großen Erzählungen (im Kino „Der Medicus“, am Resi „Andersens Erzählungen“ oder die Oper „Freischütz“ auf der Bregenzer Seebühne) und einer, auch damit zielt das Staatsschauspiel aufs breite Publikum, der noch selten mit Konzepten verstört hat, sondern intelligente Unterhaltung liefert. Das passt zu Kroetz’ „Brandner“-Neuauflage. Die ist laut Autor „ein großes Bilderbuch, denn das Stück ist natürlich ein Märchen“ – so heißt es in einer Szenenanweisung. Außerdem versteht sich Stölzl nach eigenen Angaben bestens mit Kroetz: „Wir sind schließlich beide Pasinger“, wie er einmal im persönlichen Gespräch sagte.

Florian von Manteuffel spielt in der Uraufführung den Boanlkramer, wobei man am Theater Wert legt auf das fehlende „d“: Auch im Original Franz von Kobells wird der personifizierte Tod so geschrieben. Michael Goldberg ist als Petrus dabei, die übrige Besetzung will das Resi noch rechtzeitig bekannt geben. „Viel weniger Personal“ als sonst üblich werde es in der Kroetz-Fassung geben, sagt Ingrid Trobitz, die außerdem eine „neue Perspektive“ für den Stoff verspricht.

Etwas bitter ist dies alles fürs Münchner Volkstheater. Dort feiert die klassische KobellWilhelm-Fassung des „Brandner Kaspar“ in der Regie von Christian Stückl am 5. April ihren 20. Geburtstag und soll auch weiter gespielt werden. Wie ewig jung dieser alte Stoff ist, dafür sprechen allein die verschiedenen Bearbeitungen – etwa als Hörspiel oder Musical. Joseph Vilsmair drehte bekanntlich einen Kinofilm mit Michael „Bully“ Herbig als Boandlkramer und Franz Xaver Kroetz in der Titelrolle. Der wurde dem Klassiker nur sehr bedingt gerecht – vielleicht hatte sich Kroetz auch deswegen als Schriftsteller ein Herz gefasst.
MARKUS THIEL

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