Kunststücke

von Redaktion

Fulminant: Tocotronic in der Tonhalle

Als nach der zweiten Zugabe das Licht angeht und Ingrid Craven vom Band „Die großen weißen Vögel“ fliegen lässt, hat das Publikum in der ausverkauften Münchner Tonhalle noch lange nicht genug von diesem fulminanten Gastspiel der Band Tocotronic. Und so weht der Sturm der Begeisterung die Gruppe um Sänger Dirk von Lowtzow für eine weitere Zugabe auf die Bühne.

Es ist schon ein besonderes Kunststück, das Tocotronic da gelingt. Seit über 30 Jahren macht die Band gemeinsam Musik. In dieser Zeit ist sie sich immer treu geblieben – und ist dennoch weit davon entfernt, zur bloßen Kopie ihrer selbst zu erstarren. Und – vielleicht noch wichtiger: Tocotronic waren immer da. Ein treuer Begleiter für die Fans. Ein Begleiter, der sich mitentwickelt hat. Ein Begleiter, mit dem man nach drei gemeinsamen Jahrzehnten immer noch so richtig Spaß haben kann – ohne dass er zwanghaft auf berufsjugendlich machen muss.

So kann es sich die Band auch leisten, nicht nur das neue Album „Golden Years“, sondern auch den Konzertabend in München mit einem Lied über den Tod zu beginnen, ohne dass die Stimmung für den ganzen Abend ruiniert ist. Was folgt, ist ein Querschnitt durch das mittlerweile ziemlich beeindruckende Werk der Band, deren erstes Album „Digital ist besser“ vor ziemlich genau 30 Jahren erschienen ist. Ein Wiederhören mit alten Bekannten und die Entdeckung neuer Songperlen. Rau und ungestüm, sanft und melancholisch, mit poetischen Doppelbödigkeiten und klarer Kante.

Ziemlich politisch ist die Truppe auch auf dem neuen Album unterwegs. Der Song „Denn sie wissen, was sie tun“ setzt sich mit der neuen Rechten und deren Niedertracht als politischem Alleinstellungsmerkmal auseinander. Wie passend, dass die Ausstellung über Surrealismus und Antifaschismus im Lenbachhaus ihren Titel von Tocotronic entliehen hat: „Aber hier leben? Nein Danke!“

„Wie kann man so narrisch sein?“, fragt Dirk von Lowtzow schließlich ins Publikum, als die Gruppe für eine dritte Zugabe auf die Bühne zurückkehrt. Vernarrt in Toctronic ist das Münchner Publikum jedenfalls.
MARC KNIEPKAMP

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