Für immer jung

von Redaktion

Eine Rockstar-Karriere in Schuluniform: Angus Young wird 70 Jahre alt

Trägt seine Schuluniform mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der er immer noch die dreckigsten Soli raushaut: Angus Young, letztes Gründungsmitglied von AC/DC. © HANGEN

Auf Instagram kursiert ein Videoschnipsel von Angus Young. Der inzwischen weißhaarige Rocker stakst in seinem berühmten Entengang über eine Open-Air-Bühne und drischt mit aufgerissenem Mund in die Saiten seiner Gibson SG – natürlich in seiner Schuluniform. Nur hat der Spaßvogel, der den Film gepostet hat, die Tonspur leise gestellt und neue Geräusche über die Szene gelegt. Statt des fetten Blues-Hardrocks hört man nur das Quietschen von Angus’ Turnschuhen und sein Keuchen. Ein alter Mann in kurzen Wollhosen, der bei aller Power, die er ausstrahlt, auch ein bisschen verzweifelt aussieht.

Eine milde Hinterfotzigkeit natürlich. Aber sie legt das ganze Problem der Kostümierung des australischen Volkshelden offen, der heute 70 Jahre alt wird. Rock ’n’ Roll war mal die Musik der Jugend, und AC/DC waren die frechsten Rotzlöffel auf dem Schulhof. Heute sind beide im fortgeschrittenen Rentenalter, die Schuluniform wirkt reichlich deplatziert. Und dennoch trägt Angus Young sie mit demselben Stolz und der Selbstverständlichkeit, mit der er immer noch die dreckigsten Soli raushaut.

Der Gitarrist selbst schert sich nicht darum. „Manche Leute sehen in zivilem Outfit toll aus“, sagte er mal in einem Interview. „Aber ich habe als junger Kerl Jimi Hendrix gesehen und mir dabei gedacht: Wow! Wie cool er aussieht! Wie cool er spielt. Ich will so cool sein!“

Auffallen gehört dazu. Zumal wenn man, wie Angus, als siebter Sohn einer schottischen Arbeiterfamilie zur Welt kommt. Der Vater übersiedelt 1963 aus wirtschaftlichen Gründen nach Australien. Eine musikalisch talentierte Bagage, das zeigt nicht nur Schwester Margaret, die ihre Brüder mit Chuck Berry missioniert. Sondern auch der ältere Bruder George, der als Mitglied der Easybeats einen Welthit landet: „Friday on my Mind“.

Die Saat ist gesät. Angus und sein Bruder Malcolm verfallen der harten Musik und ihren Verlockungen – Angus stürmt nach der Schule in sein Zimmer und greift in die Saiten, die Uniform vergisst er oft auszuziehen. Dann fliegt er – früh übt sich, wer ein Rock ’n’ Roller werden will – wegen ständigen Schwänzens von der Schule. Er tut sich mit Malcolm zusammen, die Band nennt sich AC/DC nach dem Wechselstrom-Hinweis auf der Nähmaschine von Georges Frau. Für einen frühen Auftritt verkleiden sie sich wie im Fasching – Schwester Margaret empfiehlt Angus die Schuluniform. Er ist schüchtern und nicht begeistert, später probiert er auch noch eine Zorro-Maske. Aber die Uniform bleibt ihm. So kann er sich auf ewig als Sechzehnjähriger stilisieren.

Und damit als Teil seiner Zielgruppe. Denn wer AC/DC nicht als Teenager lieben gelernt hat, wird sie nie ganz verstehen. Der beinharte Boogie, gepaart mit den frühen Schlüpfrigkeiten des Kneipen-Poeten Bon Scott und später den Rocker-Sottisen von Brian Johnson – sie machten für das Publikum die Pubertät erträglich. Und AC/DC zur erfolgreichsten Hardrock-Band. Über 200 Millionen verkaufte Alben, ein Viertel davon geht auf das Konto von „Back in Black“ (1980), der zweiterfolgreichsten LP überhaupt. Songs wie „Highway to Hell“, „T.N.T.“, „You shook me all Night long“ und „Thunderstruck“ mit Angus’ quecksilbrigen Solo-Exzessen haben unzählige Schulpartys gerettet und Legionen von pickeligen jungen Männern zum Gitarrespielen gebracht.

AC/DC sind mit ihrem stoischen Beharren auf den traditionellen Werten des Rock ’n’ Roll längst zeit- und damit auch alterslos. Freilich: Die Vergänglichkeit zerrt auch an diesem trutzigen Schlachtross, das zeigen der frühe Tod von Bon Scott und zuletzt der von Malcolm Young im Jahre 2017. Angus Young ist inzwischen das einzig verbliebene Gründungsmitglied der Band. Aber solange es noch Menschen gibt, die sich mit AC/DC-Songs an ihre Jugend erinnern, so lange braucht er seine Schuluniform nicht auszuziehen. In den Kommentaren zu dem Video hält sich die Häme („Angus Old!“) übrigens in Grenzen. Einer bringt es auf den Punkt: „So viel Energie möchte ich in dem Alter auch noch haben!“
JOHANNES LÖHR

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