„Wir wollen Denkanstöße geben“, sagt Korbinian Bubenzer von den Philharmoinkern. © Tobias Hase
Aus dem wertvollen Fernambuk-Holz werden Bögen für Streichinstrumente gefertigt. © All mauritius images
Rund 90 Prozent des Bestandes an Fernambuk-Bäumen sind schon abgeholzt – jetzt gibt es Aufforstungsprojekte.
Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind Themen, die uns alle beschäftigen. Oder zumindest beschäftigen sollten. Und natürlich machen die aktuellen Diskussionen auch bei der Kultur keine Ausnahme. Ganz vorn mit dabei ist hier etwa der Verein „Orchester des Wandels“, der 2009 auf Initiative der Staatskapelle Berlin ins Leben gerufen wurde und mittlerweile auf 40 Klangkörper angewachsen ist.
Seit 2020 sind auch die Münchner Philharmoniker aktiv mit dabei. Sei es, wenn es darum geht, die Tourneen des Orchesters so klimaneutral wie möglich zu gestalten. Oder mit speziellen Themenkonzerten für den guten Zweck. So hatte man etwa erst Anfang März unter dem Motto „Metamorphosis – Change for Nature“ zu einem multimedialen Musikerlebnis in die Muffathalle geladen, mit dem ein Aufforstungsprojekt im brasilianischen Regenwald unterstützt wurde.
Carbon-Bögen liefern weniger guten Klang
Einer der kreativen Köpfe hinter diesem Abend war Cellist Korbinian Bubenzer, der sich über den Zuspruch fürs Nachhaltigkeits-Gremium der Philharmoniker freut. Sowohl von Seiten des Publikums als auch intern. „Als wir das Konzept vorgestellt haben, war unser Orchester-Management sofort mit an Bord und meinte, dass wir das ruhig groß aufziehen können. Wenn man diesen Rückhalt hat, vereinfacht das die Dinge natürlich sehr. Denn es gibt auch andere Orchester, bei denen unsere Kolleginnen und Kollegen alles mühsam selbst organisieren müssen.“
Wie alle Projekte des Gremiums hatte auch „Metamorphosis“ einen Musikbezug. Geht es bei der Aufforstung doch vor allem um das selten gewordene Fernambuk-Holz, das traditionell beim Bogen-Bau zum Einsatz kommt. „Mittlerweile sind rund 90 Prozent des Bestandes abgeholzt. Viele Werkstätten haben zwar noch Fernambuk auf Lager, aber wenn wir jetzt nichts unternehmen, wird eine 300-jährige Tradition bald ein Ende haben.“ Warum es ausgerechnet dieses Holz sein muss, kann Korbinian Bubenzer schnell erklären: Zwar gebe es mittlerweile auch moderne Carbon-Bögen, die ein ähnliches Spielgefühl für Streicher garantieren, aber spätestens beim Klang zeigen sich eben doch Unterschiede. Schließlich haben nicht nur Geigen oder Celli ihre sprichwörtliche Seele. „Es klingt einfach anders, weil bei einem Instrument eben alles mitschwingt. Ich selbst spiele derzeit mit einem Dienstbogen der Philharmoniker, der bereits gute 150 Jahre alt ist. Da merkt man einfach, was für eine Qualität dieses Holz hat.“
Und wenn man sich vor Augen führt, durch wie viele Hände Bubenzers Bogen bereits gewandert ist, handelt es sich in mehrfacher Hinsicht um eine Investition in die Zukunft. „Wir stecken in einer Zwickmühle. Die Menschen müssen zerstören, um leben zu können. Aber die Frage ist: wie viel? Unser Konzert war da ein Denkanstoß, wie wir verantwortungsvoll mit unserer Umwelt haushalten können.“
Positive Gedanken statt Schreckensbilder
Wichtig war dem Cellisten, nicht einfach nur Schreckensbilder von gerodeten Regenwäldern mit Musik von Strauss, Beethoven und John Adams zu unterlegen, sondern auch positive Gedanken zu vermitteln. Weshalb der Video- und Installationskünstler Christoph Brech mit ins Boot geholt wurde. „Wir wollten da eher in Metaphern denken. Seine Idee war, starke emotionale Bilder zu kreieren, mit denen das Publikum selbst seine Verbindungen knüpfen kann. Das waren dann Heuschrecken, aber auch eine Raupe, die sich verpuppt und in etwas Schönes verwandelt.“
Die Muffathalle empfand Korbinian Bubenzer dabei als idealen Raum. „Erstens, weil es uns ganz guttut, auch mal aus der Isarphilharmonie rauszukommen, aber vor allem, weil die Hemmschwelle für neues Publikum deutlich niedriger ist.“ Was bei so einem Projekt, für das alle Beteiligten viel Freizeit opfern, eine zusätzliche Belohnung ist. Und natürlich für die nächsten Vorhaben motiviert. Sei es bei den Philharmonikern oder den übrigen „Orchestern des Wandels“, zu denen in der Landeshauptstadt auch die Münchner Symphoniker zählen.
Die Frage, wie man noch die übrigen Ensembles überzeugen könnte, stellt sich für Bubenzer nicht. „Nachhaltigkeit soll kein Wettbewerb sein. Wir wollen hier nicht den moralischen Zeigefinger heben, denn auch bei uns ist noch viel Luft nach oben.“ Aber der erste Schritt ist getan. Und der ist bekanntlich immer der schwerste.
Tobias Hell