Bela B macht Schluss mit lustig

von Redaktion

Der Rockstar präsentiert im Deutschen Theater seinen neuen Roman „Fun“

Um toxische Männlichkeit dreht sich der Roman „Fun“, bei dem Rammstein grüßen lässt: Bela B als Schlagzeuger und Sänger der Ärzte – bei der Lesung im Deutschen Theater waren Fotografen nicht erlaubt. © Silas Stein

Wenn Bela B Felsenheimer heute eines nicht verkörpert, dann den coolen Rockstar. Zwar betritt der Schlagzeuger und Sänger der Ärzte die Bühne des Deutschen Theaters lässig in Camouflage-Smoking zu babyblauen Boots, eine graue Strähne in der schwarzen Rockabilly-Tolle – vollendet extravagant also. Doch ist er an diesem Montagabend als Autor in München, dessen neuer Roman genau das Klischee des coolen Rockstars demontiert.

Männer sind im Buch lächerliche Idioten

„Fun“ dreht sich um toxische Männlichkeit, um eine fiktive Band, die weibliche Fans systematisch missbraucht. Der Rammstein-Skandal lässt grüßen. „Aber es geht im Buch generell um patriarchale Strukturen, um Machtmissbrauch von Männern gegenüber Frauen“, erklärt Bela B. Und er macht Schluss mit lustig.

Man würde es ihm freilich nicht abnehmen, käme er allzu moralisch daher. Dafür weiß er selbst zu sehr, wie viel Macht ein Popstar über die Gefühle seiner Fans hat. Und es wimmelt im Frühwerk der Ärzte ja auch von Tabubrüchen der pubertären Art, die man heute als sexistisch oder Bodyshaming brandmarken würde (die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften tat der Band seinerzeit den Gefallen und verbot manches Lied – beste Werbung natürlich). Darum spart Bela B nicht mit Ironie. Er unterbricht zum Beispiel immer mal wieder, um sich selbst der Ungenauigkeit zu bezichtigen. Etwa in der Szene, in der eine Frau sich während der Aftershow-Party der Band Nabel Nabel mit einem Tablett voller Kokain-Linien auf eine Couch plumpsen lässt. „In Wirklichkeit wäre das Pulver da durch die Gegend gestaubt“, sagt er und fügt augenzwinkernd hinzu: „Der Autor hatte wohl mit Drogen noch nie was zu tun.“

Das kommt an. Und natürlich auch, als er erzählt, dass er in Sachen Menopause recherchiert und den einschlägigen Bestseller „Women on Fire“ gelesen habe. Er habe so viel von seinem neuen Wissen in das Buch einfließen lassen, dass Agent und Lektor ihn bremsen mussten. „Na ja. Aber wenigstens bin ich jetzt vorbereitet“, meint er mit Blick auf seine eigenen Wechseljahre. Er stutzt. „Was heißt vorbereitet?“ Der Mann ist 62 Jahre – aber sein Alter sieht man dem hageren Charmeur tatsächlich nicht an.

Eine Stärke des Buches ist, dass Felsenheimer permanent die Erzählperspektiven wechselt, oft aus dem Blick der betroffenen Frauen schreibt – seien es aktuelle oder vergangene Opfer, aber auch Frauen, die das Treiben der Männer decken – und dabei absolut glaubhaft ist. An diesem Abend liest er nur Kapitel, in denen die Drangsalierten sich aus ihrer misslichen Situation befreien können und sich zu wehren wissen. Die Männer sind durch die Bank lächerliche Idioten (ganz besonders die Schlagzeuger, wie ihm süffisant auffällt) – sie boxen sich in die eigenen Genitalien, ziehen StringTangas unter ihre Bierbäuche und überschätzen grotesk ihre sexuelle Anziehungskraft. Doch wenn sie am längeren Hebel sitzen (und das tun sie meistens), dann werden sie zur akuten Gefahr für die Frauen.

Ein bisschen Rockshow ist natürlich auch – aber nur in gebrochener Form. Ein Gläschen Weißwein genehmigt Bela B sich. Ab und zu spielt er einen verminderten Moll-Akkord auf einer E-Gitarre, die aussieht wie eine Skulptur, als wäre sie einmal zerschmettert und falsch wieder zusammengeschraubt worden. Er erntet Jubel und sagt grinsend in Richtung des Ärzte-Sängers und -Gitarristen: „So viel Applaus für einen Akkord – friss das, Farin Urlaub!“ Als Zugabe spielt der unverbesserliche Entertainer dann „Time Warp“ aus der „Rocky Horror Show“ an. „Das können Sie morgen hier sehen“, kündigt er an. Und dann ist wirklich Schluss mit lustig.
JOHANNES LÖHR

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