Eine Schau mit Hand und Fuß

von Redaktion

Ausstellung in der ehemaligen Bäckereistube von Rischart

Augenzwinkernd: Künstlerin Claudia Holzinger inszeniert sich als Brezel.

Einen „Phantomfuß“ schafft Künstler Dargelos Kersten aus Gips für Autorin Katja Kraft.

Eine sakrale Atmosphäre schaffen Tina Haases Arbeiten in der Backstube.

Bringt Glück: den Fußabguss, den man in der Ausstellung vom Künstlerkollektiv Pegasus Product anfertigen lassen kann, in der bereitgestellten Schale mit geschredderten Geldscheinen baden. Hilft garantiert gegen Geldsorgen. © Marcus Schlaf (4)

„Rischart hat für jeden ein Plätzchen“, heißt es im Winter auf den großen Werbebannern der Münchner Bäckerei. Erst recht gilt dieser Spruch in Bezug auf die Kunst. Wobei Plätzchen hier reichlich untertrieben ist: Ordentlich Platz räumt das Backhaus in diesen Tagen acht Künstlerinnen und Künstlern ein. 3000 Quadratmeter dürfen sie bespielen, mitten im Gärtnerplatzviertel. Die Lage: erste Sahne. Die gesamte ehemalige gläserne Backstube hat das Haus ihnen zur Verfügung gestellt. Für das inzwischen 16. RischArt_Projekt.

Und man darf sagen: Diese Ausstellung hat Hand und Fuß. Die Künstlerin Gabi Blum zum Beispiel hat „Die Hand der Bavaria“ nachgebaut. Übergroß liegt sie auf der glänzenden Anrichte, auf der noch vor einigen Monaten Rischarts größte Köstlichkeiten gezaubert wurden. In diesem Raum war viele Jahrzehnte lang die Feinbäckerei beheimatet. Der Hebel rechts an der Wand zeugt davon: Wer ihn betätigte, ließ Schokolade fließen. Leider nicht mehr in Funktion. Aber sofort kribbelt es im Mund, der Geschmack von saftigem Rüblikuchen und rahmiger Creme liegt auf der Zunge: Wie viele der Munich Cheesecake Schnitten hier wohl gefertigt wurden? Würde man sich – gemeine Fastenzeit – am liebsten hereinlegen. Künstlerin Claudia Holzinger hat sich gleich ganz in das Gebäck verwandelt, mithilfe von Bodypainting. Auf einigen ihrer Fotoarbeiten sieht man ihren komplett bemalten Körper als Brezel, Baguette, Blütenkrustenbrot. Oder eben: süße Schnitte. Ein Spiel mit Geschlechterrollen, unreflektierten Zuschreibungen.

Überhaupt haben sich alle Beteiligten bei den eigens für die sehenswerte Schau angefertigten und von Rischart finanzierten Werken erkennbar von der Historie des Hauses inspirieren lassen. Beate Passow hat die ehemalige Cafeteria in Eidottergelb getaucht. Oder Tina Haase: Wie sie allein durch Transparentpapier an den Fensterscheiben eine sakrale Atmosphäre in einem der sterilen, weiß gekachelten Räume schafft – das wärmt, als würden noch die Öfen laufen.

Und dann natürlich der Clou: Das Kollektiv Pegasus Product lädt unter dem Titel „Wie geht’s?“ dazu ein, einen Abguss des eigenen Fußes anfertigen zu lassen. Täglich ist einer der drei Berliner Künstler vor Ort. Bei unserem Besuch ist es Dargelos Kersten, der Hand an die Fersen der Autorin anlegt. In Windeseile entsteht der „Phantomfuß“. Darin ein Stück der Strumpfhose, die man gerade noch getragen hatte – und das nun als Henkel dient, um den gipsenen Klon überall hintragen zu können. Das ist die Idee: Hat man zum Beispiel keine Lust auf einen Termin, stellt man am Veranstaltungsort einfach den „Phantomfuß“ als Stellvertreter auf. Ab 100 Euro gibt es diese höchst individuellen Werke. „Ab“? „Jeder weiß selbst am besten, auf wie großem Fuß er lebt – und kann den Preis ansetzen“, sagt Kersten. Egal, wie groß der Hacken oder wie krumm die Zehen: Diese Künstler kriegen alles gebacken.
KATJA KRAFT

Bis 16. April

täglich 11 bis 19 Uhr, Buttermelcherstraße 16 (Rückgebäude), Eintritt frei. Führung mit Kuratorin Katharina Keller: 6. April, 11 Uhr.

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