Jazz aus dem Lehrbuch

von Redaktion

Wynton Marsalis mit Orchester in der Isarphilharmonie

Manche Menschen meinen ja, früher sei vieles besser gewesen. Fragt man Wynton Marsalis, gilt das auf jeden Fall für den Jazz. Womit auch immer dieser in den vergangenen 60 Jahren geflirtet und experimentiert hat (Avantgarde, Rock, Elektronik und vieles mehr): Das hat diese Musik nach des Trompeters Überzeugung nicht bereichert. Nein, es waren vulgäre Fehltritte, die vom Pfad der reinen Lehre weg in die Konfusion geführt haben. Mit seinem Jazz at Lincoln Center Orchestra (JLCO) hält er tapfer dagegen: Blues, Balladen, eine Prise Latin-Rhythmen und vor allem Swing, Swing, Swing, alles geprägt von Bläser-Tutti und -Soli in rein akustischem Kontext. Für dieses bewährte Rezept werden Marsalis und die Seinen in der ausverkauften Münchner Isarphilharmonie gefeiert.

Und es ist ja auch (alt-)meisterlich, wie das JLCO die bekannten Zutaten zusammensetzt. Bis auf je einen Klassiker von Thelonious Monk und Benny Golson sowie den Standard „Stardust“ stammen an diesem Abend alle Kompositionen von Bandmitgliedern. Die Arrangements klingen wie aus dem Lehrbuch, sind aber mit Liebe zum Detail ausgeführt. Die Klangfarbenmischungen von Trompeten, Posaunen und Saxofonen sind durchweg warm und perfekt aufeinander abgestimmt, die Solo-Features von zweckdienlicher, aber nie überbordender Virtuosität. So wie das Orchester gestylt ist (zum dunklen Anzug und weißen Hemd identische, grün-weiß gestreifte Krawatten), so uniform klingen seine Mitglieder auch. Aber Originalität ist für Marsalis ohnehin nur eine Ausrede von Exzentrikern, die das Regelwerk nicht perfekt beherrschen. Für Jazz-Nostalgiker sicher eine rundum gelungene, mit rund 90 Minuten aber vermutlich viel zu kurze Zeitreise.
REINHOLD UNGER

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